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Aus: Ausgabe vom 02.10.2025, Seite 4 / Inland
Antimilitarismus

»Unsere Arbeit nicht für euren Krieg«

Hamburg: Trotz polizeilicher Hürden setzen Arbeiter ein klares Zeichen für Frieden
Von Sven Vaith, Hamburg
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»Kein NATO-Hafen«: Hamburger protestieren gegen das Militärmanöver in ihrer Stadt (26.9.2025)

Hamburg ist in der vergangenen Woche Schauplatz des Militärmanövers »Red Storm Bravo« gewesen. Drei Tage lang übte die Bundeswehr in einem »realitätsnahen Szenario« nicht nur die »zivil-militärische Zusammenarbeit« und die Truppenverlegung an die NATO-»Ostflanke«, sondern auch den Umgang mit antimilitaristischen Protesten und Störaktionen.

Der Protest gegen die Kriegsübung war allerdings keineswegs gestellt. Was als eine kleine Aktion von Kolleginnen und Kollegen aus der Automobil-, Luftfahrt- und Windkraftbranche begann, entwickelte sich am vergangenen Sonnabend zu einem Beispiel für zivilen Ungehorsam und grenzüberschreitende Solidarität. Trotz mehrfacher Interventionen durch die Hamburger Polizei gelang es den Arbeitern, an zwei prominenten Orten in der Stadt ein Zeichen für den Frieden und gegen die Kriegsvorbereitung zu setzen.

Die Aktion startete um 10.45 Uhr am Burchardkai, dem größten Containerterminal des Hamburger Hafens. Von hier aus werden deutsche Waffen und andere Rüstungsgüter in die ganze Welt verschifft. Beschäftigte der Mercedes-Benz-Werke in Hamburg und Bremen hatten sich zusammen mit Kollegen von Airbus Hamburg und dem Windkraftanlagenbauer Enercon verabredet, um gegen die militärische Nutzung von Arbeitsplätzen und Infrastruktur zu protestieren. Doch schon die ersten Minuten zeigten, dass die Behörden die Versammlung genau im Blick hatten.

»Wir hatten uns gerade begrüßt, da war auch schon die Polizei da und meinte, wir hätten hier mit unseren Plakaten und Fahnen nichts zu suchen«, schilderte ein Teilnehmer die Situation. Die Beamten fotografierten die Transparente und nahmen die Personalien der Anwesenden auf – eine Maßnahme, die von den Kollegen als unverhältnismäßig empfunden wurde. »Man kam sich vor wie ein Schwerverbrecher, dabei wollten wir nur unser Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen.«

Dennoch erhielten die Friedensaktivisten nach kurzer Zeit die Erlaubnis, ihr Transparent mit der Aufschrift »Unsere Arbeit, unsere Fabriken, unser Hafen – nicht für euren Krieg! Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter« für ein Foto auszurollen. Anschließend wurden sie jedoch vom Burchardkai verwiesen.

Daraufhin schloss sich die Gruppe der Demonstration »Stopp Red Storm Bravo« am Hauptbahnhof an, zu der das Bündnis »Kein NATO-Hafen!« aufgerufen hatte. Gemeinsam mit mehreren hundert anderen Kriegsgegnern zogen sie mit ihrem Transparent durch die Stadt und rückten nach der Zwischenkundgebung an die Spitze des Zugs vor. Bei den Landungsbrücken ergriffen die Kollegen die Initiative: Sie positionierten sich auf der Brücke, um ihr Banner so zu plazieren, dass die Demonstrierenden darunter hindurchlaufen konnten.

Doch auch hier ließ die polizeiliche Begleitung nicht lange auf sich warten. Die Aktion auf der Brücke sei nicht angemeldet, und man sei dort nicht mehr Teil der genehmigten Demonstration, hieß es von seiten der Staatsmacht. Die Antwort der Arbeiter ließ nicht auf sich warten: Kurzerhand wurde von einem Kollegen eine Spontandemonstration angemeldet – mit Erfolg. Das Transparent konnte hängen bleiben und entfaltete seine Wirkung über der Menge. Den gelungenen Abschluss des Tages bildete die Abschlusskundgebung, auf der ein Kollege von Airbus eine viel beachtete Rede hielt.

Die Aktion mag klein begonnen haben, doch die Beteiligten waren mit ihrem Verlauf zufrieden. Denn: »Sie hat doch eines gezeigt: Mit einem Zusammenschluss über den Betriebszaun hinweg können wir als klassenbewusste Arbeiter und Gewerkschafter doch zumindest ein starkes Zeichen setzen«, lautete das einhellige Fazit der Kollegen. Es war ein Tag, der den Willen zur Friedensarbeit und die Entschlossenheit zeigte, sich nicht einschüchtern zu lassen.

Sven Vaith arbeitet im Mercedes-Benz-Werk in Hamburg

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