Meet and Greet am Seeufer
Von Max Ongsiek
Dienstag saß die »schwarz-rote« Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) zu ihrer ersten Klausurtagung am Tegeler See zusammen. Im Mittelpunkt des zweitätigen Treffens in der Villa Borsig habe die Frage gestanden – so die Formulierung der dpa am Dienstag –, wie sich die »Stimmung« in der BRD drehen und sich »Freude am Wandel« erzeugen lasse. »Im Prinzip ist unser Hauptgegner die Laune«, wurde Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) von Teilnehmern zitiert. Zum Abschluss der Klausurtagung am Mittwoch präsentierte die Regierung eine »Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung«, die im Ressort des Digital- und Staatsmodernisierungsministers Karsten Wildberger (CDU) entstanden ist.
Laut Klingbeil zeige die »Agenda« eine Haltung, das Land einfacher zu machen. Ausdrücklich betonte der Minister »die Bereitschaft, Veränderung maßgeblich voranzutreiben«, auch mit Blick auf »große geopolitische Umbrüche«. Dabei sehe er es auch als Aufgabe der Regierung, Fortschritte auf EU-Ebene zu erreichen.
Das Kabinett verkauft die »Agenda« in einer Pressemitteilung als bindenden, ressortübergreifenden »Fahrplan mit klaren Fristen« und »Monitoring«. Mit exemplarischen Modernisierungsprojekten »mit Hebelcharakter« – wie beispielsweise die Zentralisierung der digitalen Fahrzeugzulassung auf einer Plattform oder die Ermöglichung einer 24-Stunden- Unternehmensgründung – will »die Bundesregierung zeigen, dass es geht«.
Konkret sieht das 40seitige Papier etwa 80 Einzelmaßnahmen vor: Durch eine Senkung der Bürokratiekosten um 25 Prozent sollen Konzerne rund 16 Milliarden Euro sparen. Auf einem Bürokratiemeldeportal sollen Bürger konkrete Verbesserungsvorschläge machen können. Zudem sollen Schulungen und KI-Tools für Mitarbeiter in den Ministerien helfen, praxistauglicheres und bürokratieärmeres Recht umzusetzen. Das Papier will eine 1:1-Umsetzung von EU-Recht »ohne bürokratische Übererfüllung« – also ohne eigene noch strengere Vorgaben. Die »Agenda« will weniger Ausnahmen bei der sogenannten Bürokratiebremse: Werden Unternehmen an einer Stelle durch eine neue Regelung belastet, muss es an anderer Stelle eine Entlastung geben.
Schließlich skizziert das Dokument in teilweise unverständlichem Managementjargon – »Die Modernisierung von Staat und Verwaltung basiert auf einer neuen Interpretation des Ressortprinzips im Sinne eines Whole-of-Government-Ansatzes« – einen umfangreichen Bürokratieabbau. Denn zwar seien klare »gut durchdachte Regeln und ihr erfolgreicher Vollzug« »für den sozialen und demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar« – »Überflüssige Regeln und unnötige Komplexität können jedoch belastend wirken«, so die Regierungsrhetorik.
Außerdem wolle die Koalition »in den kommenden vier Jahren zeigen, dass Deutschland zurück ist«. Dafür müsse das Kabinett aber »in vielen Bereichen besser werden und staatliche Entscheidungen, Prozesse und Strukturen modernisieren«.
Auf jW-Anfrage teilte Janine Wissler, stellvertretende Vorsitzende und wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, mit: »Was die Bundesregierung bei ihrer Klausur als sogenannte Modernisierungsagenda beschlossen hat, ist lächerlich angesichts der Probleme im Land und absurd weit weg von den realen Sorgen der Menschen, die unter zu hohen Mieten, steigenden Preisen und kaputter Infrastruktur leiden.«
Auch Grünen-Chef Felix Banaszak hat die erste Kabinettsklausur der »schwarz-roten« Bundesregierung kritisiert. »Die richtigen Konfliktthemen werden bei dieser Klausur nicht bearbeitet«, sagte er am Mittwoch dem RBB-Sender Radio eins. »Wollen wir jetzt einen Sozialstaat, der Menschen schützt, oder wollen wir da mit der Brechstange ran? Wollen wir eigentlich Klimaschutz weitermachen, oder gehen wir zurück in die Vergangenheit?«
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