»Damit wird die Militarisierung vorangetrieben«
Interview: Kristian Stemmler
Ende September findet in Hamburg das Militärmanöver »Red Storm Bravo« statt, das von Ihrer Fraktion kritisiert wird. Was soll geübt werden?
Das Manöver der Bundeswehr wird vom 25. bis 27. September stattfinden. Im Zentrum der Übung steht die logistische Organisation von Truppenverlegungen an die sogenannte »Ostflanke« der NATO. Ein weiterer Schwerpunkt wird die »zivil-militärische Zusammenarbeit« sein, also die Einbindung ziviler Akteure in die militärische Strategie. Das umfasst vom Technischen Hilfswerk über die Arbeitsagentur und den Hafen ziemlich weite gesellschaftliche Bereiche.
Geht es hier erneut um die von Verteidigungsminister Boris Pistorius geforderte Herstellung von »Kriegstüchtigkeit«?
Mit dem Manöver wird die Militarisierung der Gesellschaft gezielt vorangetrieben. Insbesondere bei den Übungsteilen, bei denen zivile Akteure eingebunden sind, spielt die Frage der Kriegstüchtigkeit eine wichtige Rolle. Von der Hafenlogistik über das Gesundheitswesen bis zur Arbeitsagentur werden zivile Akteure auf ihre Kriegstüchtigkeit geprüft und getrimmt. Von der Bundeswehr wird der Hamburger Senat dafür gelobt, dass er diese Militarisierung mit besonderem Engagement vorantreibe und Hamburg als »Praxislabor« sehe. Das macht deutlich, mit welcher Haltung SPD und Grüne unter dem Jubel von CDU und AfD das Thema Kriegstüchtigkeit vorantreiben.
Teil der Übung ist auch die Unterdrückung zivilen Widerstands und die Umsetzung des Arbeitssicherstellungsgesetzes. Was wird da konkret geprobt?
Der Umgang mit zivilen Protesten wird bei vielen Manövern mitgeübt. Das hat eine doppelte Funktion: Zum einen erproben die Soldaten und Soldatinnen die Aufstandsbekämpfung im Inneren, andererseits wird der Gesellschaft vorgeführt, womit im Ernstfall zu rechnen ist. Das hat auch eine disziplinierende Funktion gegenüber der Zivilgesellschaft. Neu ist der Umfang, in dem die Agentur für Arbeit einbezogen wird. Das Arbeitssicherstellungsgesetz ist eines der Notstandsgesetze aus den 1960ern und regelt die Heranziehung zur Zwangsarbeit für »kriegswichtige« zivile Bereiche im Kriegsfall. Durchgeführt wird das von der Agentur für Arbeit. Während des Manövers wird das in einem Planspiel durchgespielt, das aber konkrete Folgen hat: Die Listen kriegswichtiger Betriebe, in denen Beschäftigte unter Androhung von Haftstrafen zur Arbeit gezwungen werden können, sind real. Hamburg stellt hierfür bundesweit den ersten großen Testlauf dar.
Das Szenario von »Red Storm Bravo« geht von einem Krieg gegen Russland aus. Wie bewerten Sie das?
Das Manöver ist Teil einer Strategie, die Aufrüstung, Kriegstüchtigkeit und eine geistige »Zeitenwende« anstrebt. Zivile Konfliktlösungen, Abrüstung und friedlicher Ausgleich zwischen Staaten treten dabei komplett in den Hintergrund. Die grenzenlosen Aufrüstungsbeschlüsse der Bundesregierung werden krasse soziale Einschnitte nach sich ziehen. Damit die Bevölkerung akzeptiert, dass Raketen und Panzer gekauft werden und Rüstungskonzerne fette Gewinne einfahren, während im Sozialen, bei Bildung und Klimaschutz gekürzt wird, muss aus Sicht der Herrschenden eine geistige »Zeitenwende stattfinden«. Angst ist dabei ein wichtiger Faktor.
Ihre Fraktion schließt sich dem Aufruf des Bündnisses »Gemeinsam gegen Red Storm Bravo« an. Wann und wo wird demonstriert und welche Forderungen hat das Bündnis?
Wir rufen für Freitag, den 26. September um 18 Uhr zur Demonstration am Hamburger Rathausmarkt auf. In der Woche davor werden unterschiedliche Akteure kleinere Aktionen durchführen. Das Bündnis »Gemeinsam gegen Red Storm Bravo« wendet sich dabei nicht nur gegen das Militärmanöver, sondern gegen Aufrüstung und die Militarisierung der Gesellschaft insgesamt. Wir fordern Abrüstung statt Sozialabbau sowie Investitionen in die soziale Infrastruktur. Zwangsdienste jeder Art, seien es die Wehrpflicht oder das Arbeitssicherstellungsgesetz, lehnen wir ab.
David Stoop ist Kovorsitzender der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft
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