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Aus: Ausgabe vom 15.09.2025, Seite 7 / Ausland
Jemen

Medien als Zielscheibe

Jemen: Israelischer Angriff auf Sanaa galt auch Zeitungen. USA intensivieren Sanktionen
Von Wiebke Diehl
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Nichts als ein Trümmerhaufen: Der Ort der Angriffe in Sanaa am Sonntag

Die jemenitische Journalistengewerkschaft spricht von einem »abscheulichen Kriegsverbrechen«: Mindestens 25 Journalisten und insgesamt 46 Menschen sind bei einem israelischen Angriff auf die Hauptstadt Sanaa am vergangenen Mittwoch getötet, über 165 Menschen verletzt worden. Die israelische Luftwaffe hatte die Büros der Zeitungen 26. September und Al-Yemen ins Visier genommen. Attackiert wurden zudem Regierungsgebäude, Wohnviertel und ein Öldepot. Bei seinem Angriff auf das bevölkerungsreichste Wohnviertel Sanaas, den Stadtteil Al-Tahrir, tötete das israelische Militär auch zehn Mitglieder einer Familie, darunter zwei Kinder und vier Frauen. Nach Angaben der Vereinten Nationen erfolgte ein Einschlag ganz in der Nähe einer UN-Einrichtung.

Die Ansarollah haben ihre Angriffe gegen Israel verstärkt, seit Ende August Premierminister Ahmed Ghalib Al-Rahaui, der Minister für Wirtschaft, Industrie und Investitionen, der Minister für Elektrizität, Energie und Wasser, der Minister für Landwirtschaft und Fischerei, der Minister für Soziales und Arbeit, der Minister für Jugend und Sport, der Minister für auswärtige Angelegenheiten und Ausgewanderte, der Minister für Kultur und Tourismus sowie der Generaldirektor des Büros des Premierministers der von den Ansarollah getragenen »Nationalen Heilsregierung« getötet wurden. Der Generalmajor der jemenitischen Streitkräfte, Mohammed Al-Ghamari, hatte in Reaktion darauf erklärt, Israel habe »die Pforten der Hölle für sich selbst geöffnet.«

Dass bei dem israelischen Angriff von vergangenem Mittwoch überproportional viele Journalisten getötet wurden, ist kaum ein Zufall. Medienschaffende geraten regelmäßig ins Visier der israelischen Armee, die für fast 70 Prozent aller getöteten Journalisten im Jahr 2024, dem tödlichsten Jahr für Journalisten weltweit, verantwortlich ist. Im Gazastreifen werden Medienschaffende seit Beginn des Vernichtungsfeldzugs im Oktober 2023 systematisch getötet. 238 Journalisten sind laut dem Medienbüro Gazas dort bislang durch die israelische Armee ums Leben gekommen. Zumeist werden die Opfer seitens israelischer Medien und Propagandainstitutionen im nachhinein als Hamas-Kämpfer dargestellt. Wie der israelische Investigativjournalist Yuval Abraham im Magazin +972 im August berichtete, hat der israelische Militärgeheimdienst eine Spezialeinheit namens »Legitimationszelle« geschaffen, die Angriffe in Gaza, einschließlich die Tötung von Journalisten, »rechtfertigt«. Denn wie der am 10. August getötete Al-Dschasira-Journalist und Familienvater Anas Al-Scharif vor seinem Tod erklärte: »In einer Zeit, in der Gaza von einer tödlichen Hungersnot heimgesucht wird, ist es in den Augen der Besatzung zu einer Bedrohung geworden, die Wahrheit zu sagen.«

Am Donnerstag hat die US-Regierung die bisher umfangreichsten Sanktionen gegen die jemenitischen Ansarollah, die große Teile des Jemen einschließlich der Hauptstadt Sanaa kontrollieren, und ihr Militär verhängt. 32 Personen und Organisationen sowie vier Schiffe wurden vom »Office of Foreign Assets Control« (OFAC) des US-Finanzministeriums mit »Strafmaßnahmen« belegt. Die betroffenen Personen und Unternehmen befänden sich im Jemen, in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Marschallinseln und stünden unter anderem hinter dem Erwerb von ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohenkomponenten, mit denen »weiterhin US-Personal und -Vermögenswerte im Roten Meer« bedroht würden.

Seit Ende 2023 greifen die Ansarollah Israel, Schiffe mit Israel-Bezug sowie US-amerikanische und britische Kriegsschiffe zur »Unterstützung Gazas« an. Regelmäßig erklären sie, die Angriffe würden beendet, wenn der Völkermord in Gaza aufhöre. Ein US-amerikanisch-britischer Militäreinsatz im Roten Meer, bei dem Washington Munition im Wert von über einer Milliarde US-Dollar verpulverte und den Beamte der US-Marine als »intensivste Seeschlacht seit dem Zweiten Weltkrieg« bezeichnet haben, konnte die Ansarollah-Angriffe nicht stoppen. Er wurde im Mai beendet.

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