Gegründet 1947 Dienstag, 2. September 2025, Nr. 203
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 02.09.2025, Seite 10 / Feuilleton
Pop

Eine Befreiung

Die türkische Musikerin Gaye Su Akyol spielte in Duisburg
Von Frank Schwarzberg
gaye_su_akyol_c_thomas_berns_ruhrtriennale_2025_3.jpg
Lustvoll widerstehen: Gaye Su Akyol

»Herrschaft ist die Monopolisierung des Genusses«, so der marxistische Philosoph Leo Kofler in einer seiner Bochumer Vorlesungen, damals. Genuss, Lust und Liebe gehören unbedingt dazu, möchte man Unterdrückung wirksam widerstehen. Ohne Kopf geht’s nicht, aber nur der Kopf wird nicht reichen. Trumps »I am your voice« oder Erdoğans Stilisierung als Vaterfigur kann nicht allein argumentativ widerlegt werden. Dieser polit-vulgär-psychologischen Entmündigung muss auch auf der Erlebnisebene begegnet werden.

In diesem Kontext und Konflikt sieht sich die 40jährige Istanbuler Musikerin Gaye Su Akyol. Aktuell gehört sie, zusammen mit Altın Gün, Derya Yıldırım & Grup Şimşek oder Engin, zu den Musikern und Bands, die türkische Sounds oder Elemente davon auf die Tanzfläche oder Bühne tragen. Mit ihrer Band trat sie Freitag in Duisburg bei der Ruhrtriennale auf. Die Gießhalle, typisch für die im Ruhrgebiet verbreitete kulturelle Aneignung von Industriebrachen, bietet eine überwältigende Kulisse.

Für Su Akyol ist dieses Setting ein gefundenes Fressen. Mit großer Geste setzt sie sich und ihre Musik in Szene, mit dem Ziel, künstlerische, persönliche, ja, politische Befreiung (»gegen das Vergessen, gegen Schweigen, gegen Apathie«) einzufordern und vorzuleben.

Ihr Sound verquirlt traditionell orientalisch anmutende Melodien und Motive mit krachendem elektrischem Rock. Ihre zwei Bandmitglieder spielen maskiert, in der Tradition lateinamerikanischer psychedelischer Surfgitarrenmusik. Der zweite Strang, auf den sich Su Akyol lustvoll bezieht, ist der anatolisch-psychedelische Rock aus den 70ern und 80ern.

Der anatolische Drache (so der Titel des 2022 erschienenen letzten Albums »Anadolu Ejderi«) befreit sich nicht allein von Genrefesseln. »In einem Land, in dem selbst sich zu verlieben ein Luxus und eine politische Haltung sein kann« (Gaye Su Akyol im Begleittext), ist die Befreiung stets auch eine körperliche. Ihre Musik, die rauchig-warme Stimme, ihre Performance wirken so, wie sie es an anderer Stelle formuliert hat: »rebellious, sexy, and revolutionary«. Gaye Su Akyol steckt an mit ihrer musikalisch-rebellischen Energie.

Weitere Termine: 19.9., Schauspielhaus Zürich; 27.9., Schouwburg, Rotterdam

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Feuilleton

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro