VW will eigenen Deal
Von Klaus Fischer
Dreißig Prozent weniger: Europas größter Autobauer Volkswagen AG leidet unter Gewinnschwindsucht – obwohl das Geschäft bei den sogenannten Volumenmarken deutlich besser geworden ist. Das Problem daran: Gerade die teuren Fahrzeuge von Porsche oder Audi sorgen derzeit dafür, dass die Kassen nicht mehr so satt klingeln, wie Eigner und Management des Konzernriesen es lange gewöhnt waren. Bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das zweite Quartal am Freitag machte der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume klar, woran es krankt: Es sind die hohen US-Zölle und die Schwerfälligkeit der EU-Kommission, ein Abkommen mit Washington auszuhandeln.
Letzteres wurde natürlich nicht direkt gesagt, sondern ergab sich aus dem Kontext von Blumes Einlassungen. Denn der Wolfsburger Konzern fühlt sich inzwischen stark genug, direkt mit der US-Regierung zu einem »Deal« zu kommen, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag berichtete. Sehr konstruktive Gespräche habe man mit der US-Regierung geführt, so der Vorstandschef. Allerdings müsse es in einem ersten Schritt eine Einigung zwischen den USA und der EU geben. Und EU heißt nicht Berlin oder Rom, sondern Brüssel und EU-Kommission. Und da kommt man nicht so recht aus den Puschen. Am Sonntag wollte Kommissionschefin Ursula von der Leyen sich mit Donald Trump in Schottland treffen. Nicht weniger als den »größten Deal überhaupt« versprachen die einschlägigen BRD-Medien.
Am Konzernmanagement soll es jedenfalls nicht gelegen haben, dass noch nichts Konkretes erreicht worden ist. »Wir haben ein sehr attraktives Investmentpaket, das wir in den USA umsetzen können«, zitierte Reuters den Konzernchef. Dabei geht es möglicherweise auch um ein Audi-Werk in den USA. Im Gegensatz zur Stammarke VW, die einen Teil ihrer Fahrzeuge bereits in den USA herstellt, kommen die hochpreisigen Fahrzeuge von Porsche und Audi weiter aus der EU. Auf Autos werden in den USA seit April 27,5 Prozent Zoll fällig.
Das machte sich nicht nur in den Verkaufszahlen bemerkbar. Die Rendite in der Markengruppe »Progressive«, zu der neben Audi auch die Luxusmarken Lamborghini, Bentley und Ducati gehören, schrumpfte in der ersten Jahreshälfte auf magere 3,3 Prozent, nachdem es vor Jahresfrist noch 6,4 Prozent gewesen waren. Unter dem Strich kostete das alles den Gesamtkonzern im zweiten Quartal 1,2 Milliarden Euro. Und der Absatz schrumpfte um 16 Prozent.
Das alles kann VW vorübergehend verkraften. Denn im Gegensatz zu den Geschäften in den USA und China läuft der Absatz bei der Stammarke VW und bei den Töchtern Škoda und Seat derzeit gut. Der Konzern haben bislang die höheren Abgaben nicht an die Kunden weitergegeben, sagte Blume. Mögliche Reaktionen in diesem Bereich hingen davon ab, wie hoch die Zölle letztlich ausfielen. Blume geht laut Reuters von einem Zollsatz von 15 Prozent aus. Auch das sei für seinen Konzern zu hoch, sagte der Vorstandschef dem Sender RTL/N-TV. »Deshalb setzen wir darauf, dass wir mit unserem Engagement in den USA diesen Satz noch weiter runter arbeiten können.« Ob das Wunschdenken ist oder ein realistischer Ansatz, wird sich wohl bald zeigen.
Die EU-Kommission hatte zuletzt stets betont, man wolle alles für eine Verständigung mit den USA tun und einen Kompromiss finden. Zugleich sortiert man in Brüssel nicht erst jetzt die möglichen Gegenmaßnahmen aus, falls es zu keiner Einigung mit Washington kommt. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte am Freitag gesagt, die EU-Kommission tue alles für eine Einigung im Handelsstreit mit den USA. Deutschland habe ein großes Interesse, noch im Juli zu einer Verständigung zu kommen. »Die Abstimmungen laufen.« Hoffnungen auf einen einigermaßen erträglichen Deal hat die Einigung der USA mit Japan in der vergangenen Woche geweckt. Dabei war ein Zollsatz von 15 Prozent das Resultat.
Der US-»Zollhammer« kam nicht unerwartet. Trump hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, wie er den Welthandel nach seiner Fasson umkrempeln werde. Und da sich bei VW vor den Problemen mit den US-Abgaben bereits Probleme nach der starken Konzentration auf elektrisch betriebene Fahrzeuge abzeichneten, hatte man in Wolfsburg bereits den »Sparhammer« herausgeholt. Auf Konzerndeutsch hieß es im Quartalsbericht: Die Markengruppe um Volkswagen, Škoda und Seat habe »spürbare Fortschritte bei der Kosteneffizienz« gemacht. Der Konzernvorstand hatte sich im Dezember mit dem Betriebsrat auf den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen in Deutschland geeinigt.
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