DIHK schlägt Alarm
Von Klaus Fischer
Keine Entwarnung für die deutsche Wirtschaft – im Gegenteil. Der Autobauer und Industriegigant Volkswagen AG meldet am Freitag Profitrückgänge im zweiten Quartal. Die Gewinne nach Steuern seien im Jahresvergleich um ein Drittel geschrumpft, so der Konzern. Und ab 1. August drohen verschärfte Einfuhrzölle des inzwischen wieder wichtigsten Handelspartners der BRD. Nach Ansicht der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist klar: Die Zollpolitik trifft bereits jetzt die größte Volkswirtschaft der EU hart. Und eine weitere Eskalation drohe.
»Die Belastungen dürften sich in den kommenden Wochen noch weiter verschärfen«, zitierte die Nachrichtenagentur dpa am Freitag den DIHK-Außenwirtschaftsexperten Volker Treier. Mit Blick auf das schrumpfende Exportvolumen in die USA seit der Ankündigung von US-»Basizöllen« Anfang April sprach Treier von einem deutlichen Alarmsignal. »Sollte die Unsicherheit rund um die US-Zollpolitik weiter anhalten, drohen der deutschen Industrie monatliche Exporteinbußen von bis zu einer Milliarde Euro.«
Die Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump treffe nicht nur Volkswagen und die deutsche Automobilbranche insgesamt, so der DIHK-Experte. Auch jene Branchen, die direkt oder indirekt von den 50prozentigen Zöllen auf Stahl und Aluminium betroffen sind, hätten unter den aktuellen Importabgaben zu leiden. »Die Maßnahme greift tief in die industriellen Lieferketten ein – Maschinenbau, Möbelhersteller, Produzenten von Fitnessgeräten oder Werkzeugen: Viele dieser Produkte enthalten Stahl und Aluminium und geraten dadurch ins Visier der Handelspolitik«, so Treier.
Die Entwicklung kommt praktisch mit Ansage. Washington hat zwar die Einführung weiterer und höherer Zölle mehrmals verschoben und von erfolgreichen »Deals« mit Lieferstaaten abhängig gemacht. Aber bereits seit Amtsübernahme von Trump war klar, dass die US-Handelspolitik hohe Importabgaben nutzen will, um das drastische Handelsbilanzdefizit vor allem gegenüber den beiden größten »Partnern« EU und China zu verringern und gleichzeitig Druck auszuüben, Produktion in die USA zu verlagern, um die Zölle zu umgehen. Bereits seit dem 9. April gilt ein »Basiszoll« für EU-Importe in Höhe von zehn Prozent. Auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse gilt laut DIHK seit dem 12. März ein sektoraler Zollsatz von 25 Prozent, der am 4. Juni auf 50 Prozent erhöht wurde. Weitere Importabgaben in Höhe von 25 Prozent gelten seit dem 3. April auf Autos und seit dem 3. Mai auf ausgewählte Autokomponenten.
Am Beispiel Volkswagen ist die Entwicklung auch detaillierter zu sehen: Allein 1,2 Milliarden Euro kosteten den Konzern die Einfuhrzölle in den USA im zweiten Quartal. Auf Autos werden in den USA seit April 27,5 Prozent Zoll erhoben. Das machte sich in den Verkaufszahlen schmerzhaft bemerkbar: Der VW-Absatz schrumpfte um 16 Prozent. Besonders hart traf es die bislang wichtigsten Profitbringer des Automobilmultis Audi und Porsche. Audis operativer Gewinn brach um zwei Drittel auf 550 Millionen Euro ein, und Porsche verdiente noch 154 Millionen Euro nach 1,7 Milliarden im Jahr zuvor.
In der Handelspolitik ist Deutschland nicht souverän, sondern hat – wie alle anderen EU-Mitgliedsländer – die Handlungsmacht nach Brüssel ausgelagert. Von der EU-Kommission gab es bislang allerdings kein ermutigendes Zeichen, dass der Zollstreit schmerzarm zu lösen sein könnte. Für die deutsche Kapitallobby ist das einer der wichtigsten Gründe für den derzeit herrschenden Alarmismus. »Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist der ideale Ausgang des aktuellen Zollstreits klar: ein umfassendes Abkommen, das wechselseitige Zölle in allen Wirtschaftsbereichen vollständig abschafft«, so Treier.
Zugleich warnte der DIHK-Außenhandelschef vor einem offenen Kräftemessen mit der US-Administration: »Ein No-Deal-Szenario, also der vollständige Verzicht auf eine Einigung, wäre für unsere Wirtschaft hochproblematisch. Wenn auf deutsche Industrieprodukte – etwa aus der Automobilbranche oder dem Maschinenbau – dauerhaft Zölle von 30 Prozent erhoben werden, ist die Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt kaum zu halten. In vielen Unternehmen wären dann extreme Umsatzrückgänge oder sogar der Abbau von Arbeitsplätzen kaum vermeidbar.«
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