Auf Müntzers Spuren
Von Nick Brauns, MühlhausenEine passende Herberge für das Wochenende in Mühlhausen fanden wir in der Pension »Zum Ewigen Rath«. Das Haus in der Altstadt ist benannt nach der revolutionär-demokratischen Kommune, die die Führer des Bauernheeres um Thomas Müntzer und Heinrich Pfeiffer vor 500 Jahren in der thüringischen Stadt ausriefen. Und da grüßt schon der Magister Müntzer von der Wand des mittelalterlichen Eingangsgewölbes. Von hier sind es nur wenige hundert Meter zur Marienkirche, in der der radikale Theologe als Pfarrer gewirkt hatte. Seit 1975 befindet sich dort die Müntzer-Gedenkstätte. Doch die kleine Dauerausstellung am historischen Ort fiel in diesem Jahr ausgerechnet der Thüringer Landesausstellung »Freiheyt 1525: 500 Jahre Bauernkrieg« zum Opfer. Denn der Bereich in St. Marien widmet sich der bäuerlichen Gesellschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts – für Müntzer ist da neben Sensen, Borstenvieh und Kirchweih kein Platz.
Der Prediger findet sich dann als Pappfigur neben anderen Köpfen seiner Zeit wie Martin Luther und Götz von Berlichingen im zweiten Abschnitt der Ausstellung zu den Ereignissen der Jahre 1524/25 im nahen Bauernkriegsmuseum. Statt die nicht besonders tiefgehenden Texttafeln zu lesen, kann man sich an der Museumskasse auch das Mosaik-Heft »Unruhige Zeiten« holen, um mit den Abrafaxen die Triebkräfte der Umwälzung zu erkunden.
Neben den obligatorischen Spießen und Hellebarden sind auch Originaldrucke der »Zwölf Artikel« ausgestellt – dem dank damals neuer Vervielfältigungstechnik von Memmingen aus überregional verbreiteten Programm der Erhebung mit Forderungen nach Abschaffung der Leibeigenschaft, Wahl der Pfarrer durch die Gemeinde und Rückgabe der von den Fürsten geraubten Allmende. Einen Gegenpol bildete Luthers Schrift »Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern«, mit der der Reformator seinen Segen zum Niedermetzeln der von ihm ursprünglich inspirierten Aufständischen gab. Der Rechnung eines Henkers ist zu entnehmen, dass er sechs Groschen dafür kassierte, das abgeschlagene Haupt Müntzers auf einem Spieß vor den Mauern der Stadt auszustellen.
Auch Originalbriefe des Reformators sind zu bewundern – ein ganzes Paket davon hatte die sächsische Landesregierung 1949 allerdings Stalin, »dem Freund des deutschen Volkes, dem weisen Führer des Sowjetvolkes, zum 70. Geburtstag« gesandt, wie im dritten Teil der Ausstellung über Deutung und Rezeption des Bauernkrieges zu erfahren ist. »Was 1525 endete in Blut und Verrat, ward 1945 vollende Tat«, stellt ein Plakat die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone in die Traditionslinie der Bauernkriege. Die DDR ehrte Müntzer mit einem Bild auf dem Fünfmarkschein. Im Faschismus hatte der Historiker Günther Franz den Bauernkrieg völkisch-national eingenordet, der weiteren Karriere des SS-Mannes in der BRD bis zum Hochschuldirektor tat das keinen Abbruch.
Schräg gegenüber vom Kulturhistorischen Museum hält derweil Margot Käßmann in der gut gefüllten Divi-Blasii-Kirche eine Gastpredigt im Rahmen der Reihe »Müntzer. Ein anderer Geist«. Dass der Prediger zur Waffe griff, sei zwar nachvollziehbar, doch müssten »Erneuerung und Veränderung friedlich erstritten werden«, gemahnt die Landesbischöfin a. D., die sich kürzlich hinter das Friedensmanifest einiger Sozialdemokraten gestellt hat, an Jesus »Markenzeichen der Gewaltfreiheit«.
Schon kurz nach der Niederlage des Bauernheers in Bad Frankenhausen – wo heute das Panoramagemälde von Werner Tübke an die frühbürgerliche Revolution erinnert – hatte Albrecht Dürer ein Denkmal skizziert. Realisiert wurde die sieben Meter hohe Bronzesäule, die von der Figur eines niedersinkenden Bauern mit einem Schwert im Rücken gekrönt wird, erst 500 Jahre später. Sie steht jetzt auf dem zentralen Kornmarkt. Dagegen werden nur wenige Besucher den Weg zum außerhalb der Stadt im verwilderten Thomas-Müntzer-Park gelegenen Bauernkriegsdenkmal antreten. Errichtet wurde es 1901 vom Verschönerungsverein an der Anhöhe, an der die abgeschlagenen Köpfe Müntzers und Pfeiffers zur Abschreckung präsentiert wurden, um an das »Unglücksjahr Mühlhausens 1525« zu erinnern. In der DDR wurde das Denkmal Müntzer neu gewidmet. »Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk«, prangt dessen Forderung auf der Plakette.
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