Klage gegen Aufklärer
Von Niki Uhlmann
Manche Aktivisten Berlins betrachten sie als professionelle Provokateurin. Das FDP-Mitglied Karoline Preisler sorgt am Rande von Protesten regelmäßig für Krawall, indem sie deren Teilnehmer durch polemische Schilder gegen sich aufbringt. Seit geraumer Zeit hat sie es auf palästinasolidarische Demonstrationen abgesehen, die sie aus nächster Nähe, oft abgeschirmt durch Polizisten, mit Slogans wie »Rape Is Not Resistance« (Vergewaltigung ist kein Widerstand) – was niemand behauptet – oder »Until the Last Hostage« (Bis zur letzten Geisel) aufmischt. Bekommt die Juristin allerdings ihre eigene Medizin zu schmecken und wird Ziel polemischer Kritik, zieht sie vor Gericht.
Jüngst hat Preisler den Journalisten Jakob Reimann, der unter anderem für jW schreibt, angezeigt. Dieser teilte vergangene Woche auf Instagram mit, dass Preisler den »rechten Medienanwalt Ralf Höcker engagiert« habe. Dessen Kanzlei hatte zuvor etwa die AfD gegen den deutschen Inlandsgeheimdienst vertreten. Er sei nun einem »enormen finanziellen Risiko« ausgesetzt, führte Reimann aus, weshalb der Förderverein für kritischen Journalismus eine Spendensammlung für ihn eingerichtet habe. Dort ist zu lesen, dass Preisler Reimann »›Falschbehauptung‹, ›Falschzitat‹ und ›Hetze‹« vorwerfe, obwohl er selbige »wortgetreu zitiert« habe.
In einem Post auf der Onlineplattform X vom 23. September 2024 hatte er zwei widersprüchliche Aussagen Preislers gegenübergestellt: Einerseits hatte sie in einem Interview zu Protokoll gegeben, dass Israel selbst da, wo es um Vergewaltigungen palästinensischer Gefangener gehe, »noch der menschlichere Akteur« sei, weil diese verfolgt und aufgearbeitet würden. Andererseits stellt sie bei palästinasolidarischen Demonstrationen ihre Verurteilung jeglicher Vergewaltigung zur Schau. Preisler erntete daraufhin laut Spendenkampagne »international negative Berichterstattung«, für die sie Reimann nun »eine Mitverantwortung« zuschreibe. Das Ziel von 15.000 Euro wurde mit 488 Spenden in kürzester Zeit erreicht. Die erste Verhandlung findet am 18. Juli in Berlin statt.
Gekontert hatte Preisler bereits am 24. September 2024 via X, wo sie Reimann vorwarf, dem Publikum »ein gefaktes Video untergejubelt« zu haben. Auch sie startete eine Spendenkampagne und erreichte ihr Spendenziel von 50.000 Euro für »juristischen Support«. Dort heißt es, dass Gerichtstermine anstünden mit »zwei Männern, die stur die Unwahrheit über Karoline Preisler« verbreiten würden. In einem Update vom 20. Juni dieses Jahres wird berichtet, dass der palästinensische Aktivist Fuad A. vom Landgericht Berlin inzwischen wegen der Verbreitung des »Falschzitats« Preislers, »israelische Vergewaltigung sei die menschlichere Art der Vergewaltigung«, verurteilt worden sei.
»Die Klage der rechten Pro-Israel-Influencerin Preisler ist ein Angriff auf die Pressefreiheit«, kommentierte Reimann am Freitag gegenüber jW. Die deutschen Medien hätten »sich unterwürfig in den Dienst der Staatsräson gestellt«. Geradezu »erschreckend klein« sei »die Zahl kritischer Journalistinnen und Journalisten, die sich klar gegen die Barbarei in Gaza stellen«, während »die Angriffe von Verteidigern des Genozids« zunähmen. Reimanns Spendenkampagne erinnert daran, dass derlei »gezielte Einschüchterung« (auch SLAPP, Strategic Lawsuit against Public Participation genannt) darauf abziele, »kritische Stimmen mit langwierigen Verfahren mundtot zu machen – meist im Interesse von Unternehmen, teils aber auch durch Einzelpersonen oder staatliche Stellen«.
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