»Das ist der Deckmantel für die Aufrüstung«
Interview: Henning von Stoltzenberg
Sie fordern, der Rüstung im Ruhrgebiet keine Chance zu geben. Wie kommen Sie zu diesem Slogan?
Die Chefin der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, äußerte Anfang der Woche in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen, dass die Rüstungsindustrie eine Chance sei, im Ruhrgebiet neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sie stellte außerdem Forschung und Entwicklung im Rüstungsbereich als wachstumsfördernd dar und äußerte, die Region könne auch von der Drohnenproduktion profitieren. Die Produktion von Tötungsmaschinen als Chance darzustellen, haben wir als moralischen Tiefpunkt bezeichnet und deutlich zurückgewiesen.
Findet nicht der überwiegende Teil der Rüstungsproduktion in Süddeutschland statt? Warum sollte sich das aus Sicht von Frau Schnitzer ändern?
Auch wenn ein Großteil der deutschen Rüstungsindustrie in Süddeutschland angesiedelt ist, verfügt auch NRW über diverse Rüstungsstandorte. In Düsseldorf angesiedelt ist die Konzernzentrale von Rheinmetall, in Remscheid werden Panzerketten produziert, in Weeze am Niederrhein hat Rheinmetall die Produktion von Teilen des Atombombers F-35 begonnen. Hinzu kommen diverse Zulieferunternehmen. Frau Schnitzer bietet nun großen Konzernen wie Thyssen-Krupp an, den anstehenden Arbeitsplatzabbau, zum Beispiel in der Stahlbranche, durch die Errichtung neuer Produktionsstandorte im Rüstungsbereich auszugleichen. Man setzt also auf die Zwangslage der Beschäftigten, die nach einer Entlassung froh sind, überhaupt weiter beschäftigt zu werden.
Setzt Schnitzer schlicht auf das langfristige Fortbestehen der Konfrontation zwischen Russland und der NATO?
Die Wirtschaftsweise hat diese Äußerungen im Gespräch mit Wirtschaftsvertretern aus dem Revier getätigt. Es ging ihr also sicherlich darum, hier langfristige Perspektiven für Unternehmen aufzuzeigen. Offenbar werden die von Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD, und Bundeskanzler Friedrich Merz, CDU, ausgesandten Signale so interpretiert, dass man sich auf einen langfristigen Hochrüstungskurs und die damit verbundene Konfrontation zwischen NATO und Russland verlassen könne. Ähnlich kommuniziert auch die politische Landesebene. Im Mai hatte die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Bündnis 90/Die Grünen, zu einem runden Tisch »Defence« eingeladen. »Defence«, also Verteidigung, ist der Deckmantel für alle Aufrüstungsmaßnahmen, die angeblich nur der Verteidigung dienen. Neubaur gab das Ziel aus, »die Branche stärker zu vernetzen, den Technologietransfer zu beschleunigen und die strukturelle Entwicklung der Verteidigungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen strategisch voranzubringen«. In unseren Augen widerspricht dieses Spekulieren auf andauernde Kriegsvorbereitung und Aufrüstung dem gesunden Menschenverstand. Denn vielmehr sollten wir alles dafür tun, dass es in Europa zu einer neuen Friedensordnung kommt. Die Profitinteressen der Rüstungsunternehmen stehen dem Frieden jedoch im Wege.
Was müsste aus Ihrer Sicht statt dessen im Ruhrgebiet produziert werden?
Ich lebe ja selber im Ruhrgebiet und habe verfolgt, wie Maschinenbauunternehmen Getriebe für Windenergieanlagen für den weltweiten Export produzieren. Solche Firmen, die Produkte zum Wohle der Menschen, für die Energie- und die Verkehrswende herstellen, sind nicht nur politisch dringend notwendig. Es ist doch auch für die Beschäftigten, die Facharbeiter und Ingenieure wünschenswert, dass sie keine Produkte herstellen, mit denen massenhaft Menschen getötet werden.
Was antwortet die Friedensbewegung im Ruhrgebiet auf diesen direkten Aufruf zur Kriegsproduktion?
Wir haben darauf hingewiesen, dass das Ruhrgebiet in zwei Weltkriegen eine schlimme Rolle als Rüstungsschmiede gespielt hat. Wir wollen das kein drittes Mal erleben. Daher werden wir gegen diese Pläne einer Ausweitung der Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet protestieren. Anlässe gibt es genug. Im September soll in Essen eine große Rüstungsmesse stattfinden. Hier laufen bereits Pläne für eine entsprechende Protestdemonstration.
Joachim Schramm ist Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) in Nordrhein-Westfalen
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Höchste PolitikerInnen an, in oder auf modernstem Kriegsgerät gehört seit Jahren schon zur Inszenierung kommender Kriege. Ein Bundespräsident, der für Rückkehr zur Wehrpflicht lädiert, zu einer Wehrpflicht, die eine andere als eine freiwillige, genügend Freiwillige für das Schlachtfeld garantiert, ein weiterer Schritt in den Krieg. Staatsräson ist die politische Manipulation und Verblödung der Massen, sie von jedwedem eignem Denken, Nachdenken, von allen unbequemen Nachfragen abzuhalten. In diesem Sinne haben Qualitätsmedien ihre Qualität jeden Tag und Woche seit Jahren unter Beweis gestellt und Volk zahlt gern dafür.
Alle bisherigen Kriegsherren von Kapitals Gnaden haben vom Frieden gesprochen und nur von Verteidigung. Sie haben immer und jeden ihrer Kriege nie mit dem ersten Schuss begonnen und ins Werke gesetzt. Sie haben viele Jahre vor ihren Kriegen für diese ihre Kriege und Kriegsziele aufgerüstet. In zahllosen Büchern, wie in der Geschichte kann jeder und jede heute die Wahrheiten zu den Kriegen herauslesen. Warum tun sie es nicht?
Wer und was hindert sie daran? Wirtschaftsweise und Rüstungsindustrie, verschmolzen mit dem Kriegspropagandaapparat, sind mehr als jemals täglich dabei, uns den Krieg Stück für Stück näher zu bringen mit explodierenden Profiten einer krisenbefreienden Kriegswirtschaft in die nächste Krise. Den Krieg in der Ukraine so lange wie möglich lebendig und vernichtend zu halten, gehört zum Schritt in den nächsten Weltkrieg. Kapital nimmt jede Wachstumschance und wenn es die Rüstung in den nächsten Krieg ist, in den eignen Untergang und Vernichtung der Menschheit. Diesen Mechanismus zu verstehen, ihn zu beenden, das braucht es, um die sich drehende Kriegsspirale zum Stehen zu bringen.