Trumps Mikrofonproben
Von Reinhard Lauterbach
Erinnert sich noch jemand an Ronald Reagans berühmte Mikrofonprobe von 1984? »Liebe Landsleute, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich Gesetze unterschrieben habe, die Russland für ewig ächten. In fünf Minuten beginnen wir mit den Bombenangriffen.« Damals von einem Tontechniker des US-Radios mitgeschnitten und vor dem Papierkorb bewahrt, machte das Zitat Furore.
Jetzt hat CNN zwei Sprechproben des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump veröffentlicht, die mehr oder minder denselben Inhalt haben: Er werde aus Moskau und Beijing »die Scheiße herausbomben«, wenn sie weiter Krieg in der Ukraine führten bzw. Taiwan angriffen. Das habe er Wladimir Putin und Xi Jinping in Telefongesprächen angedroht. Die hätten das nicht ernstgenommen oder allenfalls zu zehn Prozent, so Trump. Aber das reiche ja vielleicht auch schon. Oder auch nicht. 60 Prozent des eigenen Arsenals an bunkerbrechenden Bomben mit unklarem Ergebnis gegen einen nicht atomar gerüsteten Gegner zu verplempern, zeigt, dass die USA nur eines können: Schwächere zu terrorisieren.
Ob die Äußerungen wirklich so gefallen sind oder ob da irgendeine KI den Präsidenten nachgemacht hat, kann man an dieser Stelle beiseite lassen. Entscheidend ist, dass es wohl kaum noch jemanden gibt, der Trump solche Sprüche nicht zutrauen würde. Die letzte Hoffnung ist, dass der US-Präsident viel quatscht, wenn der Tag lang ist. Ein Mensch von offenkundig begrenzter Zurechnungsfähigkeit, aber ziemlich unbegrenzter Machtfülle.
Und im Schatten Trumps jemand wie Friedrich Merz, der vom Rednerpult des Bundestages aus die »Erschöpfung der diplomatischen Mittel« gegenüber Russland proklamiert und sich den Kriegsverlängerungsphantasien ukrainischer Hardliner anschließt: Es gebe jetzt keinen Raum für Verhandlungen und Kompromisse, der Krieg werde noch lange weitergehen. Haben die da oben noch alle Tassen im Schrank? Ja, ihre schon. Das sind keine Wahnsinnigen, es sind Hasardeure. Der ehemalige Hedgefondsmanager Merz kommt da aus derselben Ecke wie der Immobilienmogul Trump: Wer nichts riskiert, gewinnt nicht, das haben sie verinnerlicht. Früher spielte Merz mit dem Geld reicher Leute, jetzt spielt er mit dem Leben armer. Solange niemand Leuten wie ihm und Trump das Handwerk legt, werden nicht sie die Folgen ihrer Risikopolitik ausbaden, sondern diejenigen, die sie so reden lassen, ohne aufzuschreien.
Merz geht es darum, die angeschlagene Position der BRD in der EU zu stabilisieren. Das ist ihm offenbar wert, den ganzen Kontinent in den Krieg zu jagen. Die Aufgabe, auf diese überkochenden Drohgebärden »verantwortlich« zu reagieren, fällt den vermeintlichen Autokraten Putin und Xi zu. Aber deren Geduld nach außen hat ihre Grenzen. Nicht dafür sind sie Chefs zweier Großmächte, um vor Wadenbeißern wie Merz oder Gewaltschwadroneuren wie Trump einzuknicken.
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