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Aus: Ausgabe vom 23.06.2025, Seite 8 / Ansichten

Ära des Faustrechts

US-Angriff auf Iran
Von Reinhard Lauterbach
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Beim Angriff auf den Iran wurden solche Tarnkappenbomber vom Typ B-2 eingesetzt. (Whiteman Air Force Base, 10.5.2025)

Lassen wir die Ironie des Zufalls beiseite, dass schon einmal einer, der sich für ein unwiderstehliches Feldherrengenie hielt, an einem 22. Juni einen Krieg begonnen hat, der für ihn in der bekannten Weise zu Ende gegangen ist.

Aber was Trumps Luftangriff auf Ziele im Iran in der Nacht zum Sonntag bewirkt hat, ist jedenfalls die Bekräftigung des Faustrechts als Ultima ratio der internationalen Beziehungen. Wer sich Diplomatie als Alternative zur direkten Konkurrenz der Waffen vorstellt, findet sich blamiert. Es stellt sich heraus, dass Trumps Winken mit irgendwelchen Moratorien und »Deals« vorgeschoben und nur der Anlass war, mit dem Arsenal der US-Luftwaffe Israels Krieg gegen den Iran beizuspringen. Trump erweist sich als Gewaltherrscher, der keine Argumente kennt als die der überlegenen Waffen, und dessen Angebote irgendwelcher »Deals« nichts sind als verwandelte Ultimaten, lieber gleich zu kapitulieren.

Es mag Länder geben, die sich das einleuchten lassen müssen und sich mit einer Rolle von Souveränen von US-Gnaden abfinden werden. Aber sie werden es zähneknirschend tun und auf Gelegenheiten zur Revanche sinnen. Und es gibt Länder, denen Trumps Vorgehen gegenüber dem Iran nicht unbedingt als Leitschnur ihres eigenen Handelns einleuchten dürfte, weil auch sie an Gewaltmitteln einiges vorzuweisen haben. Das in Moskau oder Beijing seit Jahren angehäufte Misstrauen gegenüber den USA und der Ehrlichkeit ihrer diplomatischen Angebote wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach als Folge des 22. Juni 2025 zur Gewissheit verdichten: mit denen gibt es nichts zu verhandeln, allenfalls nach deren eigener Melodie: aus einer Position der Stärke.

Die ersten Reaktionen aus Russland und China waren noch zurückhaltend. Aber dabei muss es nicht bleiben. So wurde aus Russland als halbwegs offizielle Antwort bisher nur eine ironische X-Nachricht des früheren Präsidenten Dmitri Medwedew bekannt, den Friedensnobelpreis könne sich Trump nun ja wohl abschminken. Was übrigens nicht ausgemacht ist. Als Selbstfeier des Imperialismus lebt der Friedensnobelpreis sein eigenes Leben.

Auf der praktischen Ebene sind aber auch die Optionen des Iran noch bei weitem nicht erschöpft. Erstens ist nicht klar, was die Angriffe der USA überhaupt bewirkt haben. Von plötzlich freigesetzter Radioaktivität rund um die Einschlagsorte wurde bisher nichts gemeldet. Zweitens könnte Teheran asymmetrisch reagieren: zum Beispiel, indem es die Straße von Hormus vermint oder auf andere Weise unpassierbar macht, kombiniert mit erneuten Angriffen der jemenitischen Ansarollah (Huthi) auf Schiffe mit Israel-Bezug im Roten Meer. Die Folgen für die Weltwirtschaft wären drastisch; der US-dominierte Weltkapitalismus würde in diesem Fall in eine Krise stürzen, wie er sie lange nicht gesehen hat. Hochmut kommt wie immer vor dem Fall.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim D. aus Kirchseeon (25. Juni 2025 um 09:02 Uhr)
    2003 gab sich die Führung der USA noch diplomatische Mühe. In einer meisterhaften Rede (Die Rede hat es in Lehrbücher geschafft, z. B. in David Zarefsky (2005). Argumentation: The Study of Effective Reasoning.) verteidigte Colin Powell vor den UN den unvermeidbaren Angriff auf den Irak mit einer glatten Lüge. Die Zeiten haben sich geändert. MAGA-Trump ist erneut Präsident der USA und Trampolina-Baerbock endlich Präsidentin der UN. Und die Gottesstreiter an der Spitze Israels schlagen zur Verteidigung um sich, wie nie zuvor, erstmals auch offen gegen den Iran. In dieser strategisch günstigen Lage wäre eine dem unvermeidbaren Angriff auf den Iran vorauseilende Verteidigungsrede der USA in den UN reine Verschwendung militärtaktisch wertvoller Zeit. Der Iran musste ohnehin wissen, was nach dem Scheitern ultimativer Verhandlungen mit schwer bewaffneten Cowboys auf ihn zukommt. Und damit endlich Haken dran an die Liste der bösen Sieben – Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran – die Staaten, die die USA nach der 9/11-Attacke in einem Akt weltweiter Selbstverteidigung angreifen sollten, laut ehemaligem US-General und Pentagon-Gänger Wesley Clark. Wenn Drecksarbeit Verschwörungstheorie wahr macht.
  • Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (23. Juni 2025 um 16:09 Uhr)
    Also jetzt erleben die europäischen Politiker und -innen, wie der american way of life eines Donald »make america great again« Trump funktioniert. Teheran ordnet sich nicht unter, 13 Tonnen Bomben auf die nuklearen Forschungsanlagen, Ruhe ist und weiter geht’s …, Grönländer und -innen wollen nicht Bestandteil der USA werden, Bomben auf die Hauptstadt Nuuk, Ruhe ist und weiter geht’s … zum Europaparlament, wo gegen den amerikanischen Facebook-Mutterkonzern Meta eine Strafe von 797 Mio Euro verhängt wurde, Bomben auf das Straßburger Münster und weiter geht’s … und wenn Herr Trump im November 2025 nicht für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird, dann wird’s für Stockholm ganz finster. Glücklich derjenige, der »die Gnade der frühen Geburt« hat.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Angelika S. (23. Juni 2025 um 15:42 Uhr)
    Worin auch immer die von Reinhard Lauterbach notwendigerweise abstrakt gefassten »Optionen« des Iran bestehen mögen, zumal »asymmetrische«, die nicht nur den westlichen Warenhandel beeinträchtigen würden, scheinen mir die Kriegshandlungen Israels und der USA doch den nun schon älteren Hinweis von Dieter Boris auf »Ungleichzeitigkeiten in Prozessen der Machtverschiebung« zu bestätigen; sie bleiben weiterhin bedeutsam. Denn selbst angesichts des globalen Bedeutungsverlustes des Westens gibt es immer noch Dimensionen, in denen die USA (noch) »die herausragende, hegemoniale bzw. dominate Macht im internationalen Kontext« sind: Das betrifft den Finanz- und Währungsbereich, vor allem aber die militärische Macht (Z-Zeitschrift marxistische Erneuerng Nr. 118, Juni 2019, S. 19). Auf den Werte-Schrott der westlichen Völkerrechtsdemontage und die Empörung darüber sollte man weniger geistige Energien verschwenden als auf die Frage, wie die verbleibenden Dominanzbastionen des Westen geschliffen werden könnten.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (22. Juni 2025 um 22:48 Uhr)
    Wie reagiert nun das »wertegeleitete« Europa? Sanktionen gegen den Aggressor? Werden US-amerikanische Sportler von internationalen Wettkämpfen suspendiert? Werden US-amerikanischen Künstlern ihre Auftritte in Europa untersagt? Werden Handelsbeziehungen gekappt? Nichts von alle dem wird passieren, denn man ist ja den USA eng verbunden. Doppelmoral par excellence. Zu den Chemiewaffenlügen vor dem Irak- und dem Syrien-Krieg kommt nun die Lüge von Trump, der Iran hätte binnen drei Wochen zehn Atombomben gehabt und man hätte im Interesse der Freiheit sofort handeln müssen. Dabei wird seit Jahren im Westen eines ausgeblendet – Ajatollah Chomeini hat bei seiner Machtübernahme 1979 Atomwaffen aus religiösen Gründen komplett abgelehnt. Die europäischen NATO-Partner agieren mit einem angekündigtem Beschluss zum NATO-Gipfeltreffen diese Woche in Den Haag, das 5 Prozent des BIP nun für Rüstung aufgewandt werden (nur Spanien stellt sich im Moment etwas quer). Für Deutschland bedeutet das, dass nahezu die Hälfte des Staatshaushaltes in das Militär fließen werden. Neben dem bereits im März beschlossenen Wahnsinn von 1 Billion Euro Sondervermögen? Dafür geht alles, aber auch alles andere den Bach runter – Sozialleistungen, Renten, Gesundheitsvorsorge etc. pp. Und zurück nach Den Haag, dem Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs – hierhin gehören Trump, Nethanjahu und all diejenigen, die sich der so aggressiven US-amerikanischen Politik anschließen. Wir haben noch eine Chance – wir müssen diesen blutdürstigen, kriegsgeilen Machthabern der westlichen Welt in den Arm fallen, »sonst kann es passieren, das bald niemand mehr lebt, niemand der die Milliarden von Toten begräbt.« (Hannes Wader)
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (22. Juni 2025 um 20:47 Uhr)
    Und das nennen sie die regelbasierte Ordnung! In Wahrheit zeigt Trumps Angriff auf den Iran erneut, dass Regeln nur gelten sollen, wenn sie den Mächtigen nützen – und gebrochen werden, wenn sie im Weg stehen.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (22. Juni 2025 um 20:37 Uhr)
    Der Iran wird bombardiert, doch Teherans Außenminister setzt weiterhin auf Diplomatie – das wirkt auf mich widersprüchlich. Natürlich verstehe ich, dass der Iran militärisch nicht stark genug ist, um sich gegen die massiven Angriffe Israels und der USA effektiv zu wehren. Umso unverständlicher erscheint mir die aggressive Symbolpolitik rund um das Atomprogramm. Wenn das Land nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen, warum provoziert es dann mit einem Programm, das international derart kritisch gesehen wird? Warum nicht auf zivile Nutzung setzen oder, wie es andere Staaten tun, Technologien auf dem offenen Markt erwerben – ohne den Anschein militärischer Ambitionen? Es ist sicherlich kein gerechtes oder angenehmes Szenario, und auch ich finde diese Situation tragisch. Aber am Ende muss der Iran eine klare Entscheidung treffen: Entweder konsequent auf Deeskalation setzen oder die politische Konfrontation mit all ihren Konsequenzen bewusst eingehen.

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