»Pegasus« schlägt Wellen
Von Volker Hermsdorf
Der Skandal um das israelische Spähprogramm »Pegasus« hat in Mexiko eine neue Dimension erreicht. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete am Dienstag (Ortszeit) ein Ermittlungsverfahren gegen Expräsident Enrique Peña Nieto (2012–2018) ein. Anlass ist ein Bericht der in Tel Aviv erscheinenden Zeitung The Marker, demzufolge Nieto von zwei israelischen Unternehmern mit einer hohen Millionensumme bestochen worden sein soll, um den Einsatz des Spionagesystems in Mexiko zu ermöglichen.
Generalstaatsanwalt Alejandro Gertz Manero kündigte an, über internationale Rechtshilfe offizielle Informationen von der israelischen Justiz anzufordern, um die Berichte zu überprüfen. »Wir müssen den Vorwürfen rechtlichen Bestand verleihen, damit sie nicht wie frühere Anzeigen im luftleeren Raum verschwinden«, so Gertz. Peña Nieto, der derzeit in Spanien lebt und sich bereits wegen mutmaßlicher Geldwäsche und Wahlrechtsverstößen im Visier der Justiz befindet, bezeichnete den Artikel auf X als »böswillige Veröffentlichung ohne jegliche Beweise«. In einem Interview wies er erneut jede Verantwortung von sich: »Ich habe keine Verträge vergeben. Das lag nicht in meinem Aufgabenbereich. Ich war Präsident, kein Beschaffungsbeauftragter«, so Peña Nieto.
Doch die neuen Vorwürfe gegen ihn reihen sich in eine Serie von Enthüllungen über den Einsatz von »Pegasus« in Mexiko ein. Danach wurde die Spionagesoftware während seiner Amtszeit gegen Hunderte Oppositionelle, Menschenrechtsaktivisten, Anwälte und Journalisten eingesetzt. Bereits 2023 hatte ein Zeuge der Generalstaatsanwaltschaft mit dem Decknamen »Zeus« ausgesagt, Peña Nieto habe persönlich den Einsatz gegen prominente Persönlichkeiten angeordnet. Insgesamt sollen laut dem Zeugen mindestens 1.500 Personen überwacht worden sein, darunter auch Oppositionspolitiker aus dem engsten Kreis des späteren Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (2018–2024).
Die »Pegasus«-Software der israelischen Firma NSO Group ermöglicht es, Mobiltelefone unbemerkt auszuspionieren. Die Recherchen der Zeitung The Marker stützen sich auf geleakte Unterlagen aus einem geheimen Schiedsverfahren nach einem geplatzten »Deal« zwischen den israelischen Unternehmern Avishai Neriah und Uri Ansbacher, die sich – so die Zeitung – »das politische Mexiko als lukrative Beute aufgeteilt hatten«. Bestimmte Regierungsstellen seien Neriah, andere Ansbacher »zugeordnet« worden – darunter auch der Zugang zu Peña Nieto selbst, der in den Dokumenten als »Mann N«, »die Persönlichkeit« oder »der Ältere« umschrieben wird. Laut The Marker haben Neriah und Ansbacher insgesamt 25 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder an Peña Nieto für den Zugang zu höchsten Regierungskreisen in Mexiko und die Vergabe von Verträgen zur Nutzung des »Pegasus«-Systems gezahlt. Nach Angaben der Zeitung handelte es sich bei der Transaktion um den »bekanntesten Deal« der Unternehmer, bei dem sie sich unter anderem Einfluss auf die mexikanische Verteidigungsbehörde (Sedena), die damalige Generalstaatsanwaltschaft und den Geheimdienst Cisen sicherten.
Wie die mexikanische Tageszeitung La Jornada am Dienstag berichtete, hat Generalstaatsanwalt Gertz Manero einen offiziellen Antrag an die israelische Regierung angekündigt, in dem diese zur Mithilfe aufgefordert werden soll. Es gehe darum, den Informationen »die notwendige juristische Gültigkeit zu verleihen«, zum Beispiel durch ein Dokument, das »rechtswirksam festhält, dass Unternehmer aus jenem Land öffentlich erklärt haben, sie hätten dieser Person (Peña Nieto) diese Summe gezahlt«. Der Generalstaatsanwalt habe allerdings eingeräumt, dass die Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden bisher »nicht einfach war«, so die Zeitung. »Wir hatten viele Probleme, die praktisch seit dem Fall Ayotzinapa bestehen. Es gibt Verfahren, die seit Jahren feststecken. Ich hoffe, dass wir in diesem Fall eine schnellere Antwort erhalten«, sagte er in Anspielung auf Israels Weigerung, den in Mexiko wegen Folter und Manipulation von Beweisen im Fall der ermordeten 43 Studenten von Ayotzinapa verurteilten früheren Kripochef Tomás Zerón auszuliefern.
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