Ära des Faustrechts
Von Reinhard Lauterbach
Lassen wir die Ironie des Zufalls beiseite, dass schon einmal einer, der sich für ein unwiderstehliches Feldherrengenie hielt, an einem 22. Juni einen Krieg begonnen hat, der für ihn in der bekannten Weise zu Ende gegangen ist.
Aber was Trumps Luftangriff auf Ziele im Iran in der Nacht zum Sonntag bewirkt hat, ist jedenfalls die Bekräftigung des Faustrechts als Ultima ratio der internationalen Beziehungen. Wer sich Diplomatie als Alternative zur direkten Konkurrenz der Waffen vorstellt, findet sich blamiert. Es stellt sich heraus, dass Trumps Winken mit irgendwelchen Moratorien und »Deals« vorgeschoben und nur der Anlass war, mit dem Arsenal der US-Luftwaffe Israels Krieg gegen den Iran beizuspringen. Trump erweist sich als Gewaltherrscher, der keine Argumente kennt als die der überlegenen Waffen, und dessen Angebote irgendwelcher »Deals« nichts sind als verwandelte Ultimaten, lieber gleich zu kapitulieren.
Es mag Länder geben, die sich das einleuchten lassen müssen und sich mit einer Rolle von Souveränen von US-Gnaden abfinden werden. Aber sie werden es zähneknirschend tun und auf Gelegenheiten zur Revanche sinnen. Und es gibt Länder, denen Trumps Vorgehen gegenüber dem Iran nicht unbedingt als Leitschnur ihres eigenen Handelns einleuchten dürfte, weil auch sie an Gewaltmitteln einiges vorzuweisen haben. Das in Moskau oder Beijing seit Jahren angehäufte Misstrauen gegenüber den USA und der Ehrlichkeit ihrer diplomatischen Angebote wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach als Folge des 22. Juni 2025 zur Gewissheit verdichten: mit denen gibt es nichts zu verhandeln, allenfalls nach deren eigener Melodie: aus einer Position der Stärke.
Die ersten Reaktionen aus Russland und China waren noch zurückhaltend. Aber dabei muss es nicht bleiben. So wurde aus Russland als halbwegs offizielle Antwort bisher nur eine ironische X-Nachricht des früheren Präsidenten Dmitri Medwedew bekannt, den Friedensnobelpreis könne sich Trump nun ja wohl abschminken. Was übrigens nicht ausgemacht ist. Als Selbstfeier des Imperialismus lebt der Friedensnobelpreis sein eigenes Leben.
Auf der praktischen Ebene sind aber auch die Optionen des Iran noch bei weitem nicht erschöpft. Erstens ist nicht klar, was die Angriffe der USA überhaupt bewirkt haben. Von plötzlich freigesetzter Radioaktivität rund um die Einschlagsorte wurde bisher nichts gemeldet. Zweitens könnte Teheran asymmetrisch reagieren: zum Beispiel, indem es die Straße von Hormus vermint oder auf andere Weise unpassierbar macht, kombiniert mit erneuten Angriffen der jemenitischen Ansarollah (Huthi) auf Schiffe mit Israel-Bezug im Roten Meer. Die Folgen für die Weltwirtschaft wären drastisch; der US-dominierte Weltkapitalismus würde in diesem Fall in eine Krise stürzen, wie er sie lange nicht gesehen hat. Hochmut kommt wie immer vor dem Fall.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- ZUMA Press Wire/IMAGO22.04.2025
In Trippelschritten zu einem Deal
- Lintao Zhang/Pool via REUTERS17.03.2025
Gemeinsam gegen Trump
- Leonhard Foeger/REUTERS12.04.2021
Komplizierte Verhandlungen
Mehr aus: Ansichten
-
Polizeiopfer des Tages: Wels
vom 23.06.2025