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Aus: Ausgabe vom 23.06.2025, Seite 1 / Titel
Naher und Mittlerer Osten

Iran steigt aus

Nach US-Kriegseintritt beschließt Parlament in Teheran Austritt aus Atomwaffensperrvertrag. Schäden an Nuklearanlagen unklar
Von Ina Sembdner
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Show ist alles: Vorbereitung der Pressekonferenz am Sonntag in Washington

Während Washington herumposaunt, das iranische (zivile) Atomprogramm sei Geschichte, hieß es am Sonntag aus Teheran nüchtern: Ein Teil des Bereichs um die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo wurde durch einen feindlichen Luftangriff beschädigt, meldete IRNA. Tasnim bestätigte Angriffe »in der Nähe« der Atomanlagen von Isfahan und Natans. Von der Satellitenfirma Maxar bereitgestellte Bilder zeigten Fordo zumindest oberirdisch intakt; vor zwei Tagen habe es »ungewöhnliche Lkw- und Fahrzeugaktivitäten« an der am besten gesicherten iranischen Anlage gegeben, wie ein Analyst gegenüber der Washington Post erklärte. Der iranische General a. D. Mohsen Resai hatte vor wenigen Tagen in einem TV-Interview erklärt, dass »alle Materialien« vor dem Angriff Israels »weggeschafft« worden seien.

Ungeachtet dessen sprach US-Präsident Donald Trump nach Kriegseintritt am frühen Sonntag von einem »sehr erfolgreichen Angriff«. Auf Fordo sei »eine volle Ladung Bomben« abgeworfen worden; die wichtigsten nuklearen Anreicherungsanlagen des Iran seien »vollständig und total zerstört worden«. Und auf seiner Plattform Truth Social schrieb er in Großbuchstaben: »Jegliche Vergeltung des Irans gegen die Vereinigten Staaten von Amerika wird mit einer viel größeren Wucht beantwortet werden, als sie heute Abend zu beobachten war.« Das US-Militär hat im Nahen Osten rund 40.000 Soldaten stationiert. Zuvor hatte Trump erneut ein Ultimatum an Iran gerichtet – es werde »entweder Frieden geben oder eine Tragödie für den Iran, die weitaus größer ist als das, was wir in den vergangenen acht Tagen erlebt haben«, sagte er am Sonnabend abend in einer Fernsehansprache an die Nation. Erhöhte Strahlenwerte vermeldete die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) für keinen der mit schweren bunkerbrechenden Bomben angegriffenen Orte.

Der iranische Präsident Massud Peseschkian verurteilte die US-Angriffe als »Aggression« und warf Washington vor, »der entscheidende Faktor hinter den feindseligen Handlungen des zionistischen Regimes gegen die Islamische Republik« zu sein. Er führte den Kriegseintritt darauf zurück, dass die US-Führung rund eine Woche nach Beginn der Angriffe auf Iran die »offensichtliche Unfähigkeit« Israels erkannt hätten. Den Aufschlag für die US-Angriffe hatte zuvor die Koordinatorin der US-Geheimdienste, Tulsi Gabbard, geliefert. Sie erklärte am Sonnabend auf X, ihre Einschätzung vom März, wonach »Iran keine Atombombe baut« und Staatsoberhaupt Ali Khamenei »das Atomwaffenprogramm, das er 2003 aussetzte, nicht wieder genehmigt hat«, werde aus dem Zusammenhang gerissen und falsch zitiert. Kommentatoren erinnerten an den US-Krieg gegen den Irak 2003, der mit dem Vorhandensein vermeintlicher irakischer Massenvernichtungswaffen, die niemals gefunden wurden, gerechtfertigt wurde.

Und während der per internationalem Haftbefehl gesuchte israelische Premier Benjamin Netanjahu Trump zu dem »gewagten« Angriff gratulierte, beschloss das Parlament in Teheran unterdessen den Austritt des Landes aus dem Atomwaffensperrvertrag, der es Ländern ohne Nukleararsenal verbietet, an solche Waffen zu gelangen. Eine Blockade der für den weltweiten Transport von Öl wichtigen Straße von Hormus stand ebenfalls im Raum. »Eine Chance auf Frieden«, wie sie Unionsfraktionschef Jens Spahn in der Eskalation sehen wollte, ist es wohl nicht.

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