Araghtschi unbeirrt optimistisch
Von Knut Mellenthin
Die leichte Ernüchterung, die im iranischen Establishment aufblitzte, nachdem »Revolutionsführer« Sejjed Ali Khamenei am vorigen Dienstag öffentlich erklärt hatte, er erwarte von den Verhandlungen mit den USA keine Ergebnisse, hielt nicht lange vor. Nach dem fünften Treffen, das am Freitag in Rom stattfand, verbreitete Außenminister Abbas Araghtschi wieder seine bekannten optimistisch gefärbten Stimmungsberichte. An Einfällen fehlt es ihm dabei nicht. So lobte er diesmal, das Treffen sei »eines der professionellsten« seit Beginn der Gespräche am 12. April gewesen. Er wiederholte aber auch bekannte Formulierungen. So erzählte er schon zum dritten Mal nach einer indirekten Begegnung, man habe das gegenseitige Verständnis vertieft. Dass hohe Professionalität und intensives Verständnis in irgendeiner Weise weiterhelfen, wenn die Positionen sich eindeutig gegenüberstehen und offensichtlich unvereinbar sind, scheint der iranische Außenminister immer noch vorauszusetzen.
Zum Fortgang der Verhandlungen teilte Araghtschi mit, der Außenminister des Sultanats Oman, Badr Al-Busaidi, der bei allen bisherigen indirekten Gesprächen die Rolle eines Boten und Vermittlers spielte, habe in Rom neue Lösungsvorschläge präsentiert. Diese würden nun von den Regierungen in Washington und Teheran diskutiert, und danach werde es eine sechste Gesprächsrunde geben. Die Probleme seien »komplizierter«, als dass sie in zwei oder drei Sitzungen gelöst werden könnten, »aber die Tatsache, dass wir gegenwärtig auf einem vernünftigen Weg sind, wird als Errungenschaft betrachtet«.
Am Donnerstag hatte das Außenministerium in Teheran den Wortlaut eines Briefes an UN-Generalsekretär António Guterres, an den derzeitigen Präsidenten des UN-Sicherheitsrats, Evangelos Sekeris, und an den Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, veröffentlicht. Araghtschi wies darin auf Israels ständige Angriffsdrohungen gegen das iranische Atomprogramm hin, die nicht nur der Charta der Vereinten Nationen widersprächen, sondern nach Resolution 533 des UN-Sicherheitsrats vom 21. September 1990 auch ein sofortiges Eingreifen dieses Gremiums erforderten.
Das wird die Angesprochenen voraussichtlich so wenig interessieren wie in früheren Jahren. Immerhin hatte Benjamin Netanjahu schon 1985 behauptet, Iran sei nur wenige Jahre von der Atomwaffenproduktion entfernt, und hatte daraus die dringende Notwendigkeit militärischer »Präventivschläge« hergeleitet. Das war 20 Jahre, bevor im Iran die Anreicherung von Uran, die entscheidende Voraussetzung für den Bau von Atomwaffen, aufgenommen wurde.
Im letzten Absatz seines Briefes kündigt Araghtschi an, »im Licht der fortwährenden Drohungen« sei Iran »gezwungen, besondere Maßnahmen anzuwenden, um seine nuklearen Anlagen und Materialien zu schützen«. Die Einzelheiten würden der IAEA zum gegebenen Zeitpunkt mitgeteilt. Überwiegend wird vermutet, dass Iran vor allem seine Vorräte an angereichertem Uran an schwerer anzugreifenden Stellen unterbringen will. Zu den israelischen Plänen gehören neben dem Einsatz von Bomben und Raketen auch Militäroperationen gegen die Anreicherungsanlagen.
Die Debatte im Iran geht trotz Araghtschis optimistischen Stimmungsberichten weiter. Die konservative Tageszeitung Kayhan, das Sprachrohr der außenpolitischen »Hardliner«, bezeichnete am Sonntag die Verhandlungen mit den USA als »fruchtlos«. Weder werde Iran sein Recht auf Anreicherung aufgeben, das im Atomwaffensperrvertrag garantiert sei. Noch würden die USA auf das Instrument der Sanktionen verzichten. Das Ziel der Verhandlungen sei aus US-Sicht, »Aufruhr und Chaos im Iran« herbeizuführen. Er habe nie an den Erfolg der Verhandlungen geglaubt, äußerte Fereidun Abbassi, Leiter der iranischen Atomenergiebehörde in den Jahren 2011 bis 2013, gegenüber der Website Didban Iran. Dafür sei die Kluft zwischen den Forderungen der USA und Irans »roten Linien«, über die keinesfalls verhandelt werden solle, zu weit.
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