»So viel Pluralität geht wohl gegen den Strich«
Interview: Hendrik Pachinger
Nach dem Ausschluss des Freidenkerverbands vom Münchner Zamanand-Festival hat sich das dortige Friedensbündnis öffentlich solidarisiert und angekündigt, den Protest auf dem Fest vom 24. bis 25. Mai deutlich zu machen. Wie ist das erfolgt?
Gegen die Entscheidung eines privaten Trägers lässt sich schwer protestieren, auch wenn dessen Argumente noch so hanebüchen sind. Wir haben an unseren fünf Ständen einen Sarg mit erklärenden Plakaten und der Aufschrift »die freie Meinungsäußerung, Art. 5, Grundgesetz« aufgestellt. Selbstverständlich haben wir unseren Presseverteiler bedient, allein diese Zeitung und unser freies Radio Lora haben sich der Sache angenommen. Die anderen Medien berichten halt lieber über unsere gewachsene »Verantwortung«, also über unseren unverhofften Machtzuwachs in unserem angestammten Hinterhof. Das kommt auch bei ihren Konsumenten besser an.
Wen konnten Sie damit erreichen?
Wir konnten am Platz einige Flugblätter verteilen, ein paar Freunde klopften uns auf die Schultern. Die Mehrheit der weit über 100.000 Besuchenden nimmt von so etwas keine Notiz. Sie sind auch an so kleinen Querulanten nicht interessiert, zumal jetzt, wo es wieder gilt, gegen den Feind zusammenzustehen. Dieser Protest war wohl nach dem Geschmack des Veranstalters, er störte das Treiben nicht. Und die Stadt, der Hauptsponsor, sieht ihre Pflicht erfüllt, wenn die »Wahrung unserer Grundwerte gegenüber allen Teilnehmenden, Partnern und Besuchenden des Festivals« gewährt ist, wie es in der nachträglichen Stornierung heißt.
Woher leiten Sie Ihren Anspruch auf Teilnahme an kommunalen Veranstaltungen ab?
Einige Referate der Stadtverwaltung sind an diesem Festival aktiv beteiligt, das vorgibt, für »Offenheit und Pluralität« zu stehen. Als Bürger und Steuerzahler dieser Stadt nehmen wir uns für alle Gruppen um das Münchner Friedensbündnis das Recht, an der Meinungsbildung teilzunehmen. Zumal wir ja – seit exakt dem Wochenende dieser Veranstaltung – auch unseren Außenminister und den Bundeskanzler hinter uns haben, zumindest bei der beanstandeten Forderung der Freidenker nach Einhaltung des Völkerrechts im Gazakrieg. Voraussichtlich werden wir uns auch für die Veranstaltung im Juli bewerben. Mal sehen, wer und wen sie dann alles ausschließen.
Das Organisationsteam des Festivals wirft den Freidenkern vor, gegen die »Werte der Pluralität und Offenheit« zu verstoßen. Wurde das genauer ausgeführt?
Aus dem Verbandsorgan des Deutschen Freidenkerverbands zitiert die »Fachstelle der Landeshauptstadt gegen Antisemitismus« als Ausschlussgrund die Empfehlungen zur letzten Bundestagswahl, »keine Kriegstreiber, US-Raketen-Liebhaber, 3.-Weltkrieg-Fans, Russland-Hasser, China-Feinde und Waffenlieferanten« zu wählen. Im Grunde vernünftig, aber so viel Offenheit und Pluralität gehen, wo wir gerade kriegstüchtig werden sollen, dann wohl doch gegen den Strich. Daneben wird eine Autorin, eine bei der Stadtverwaltung wohl äußerst unbeliebte ehemalige Stadträtin, kritisiert, die aus russischen Quellen zitiert – ausführlich und nicht nur, was in unser Narrativ vom bösen Russen passt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Gruppen die Teilnahme verweigert werden. 2023 waren DKP, SDAJ und junge Welt-Leserinitiative ausgeschlossen worden.
Die SDAJ mit der UZ und die junge Welt-Leserinitiative wurden 2023 rausgeschmissen, weil die UZ eine »Parteipublikation der DKP ist« und die junge Welt »das auflagenstärkste linksextremistische Medium in Deutschland« sei. Weil das nicht schon reicht, wurde auch deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz herangezogen – außerdem sei »neben verfassungsfeindlicher Ausrichtung ein fehlendes Bekenntnis zur Gewaltfreiheit festzustellen«. So wird noch vor einer gerichtlichen Klärung gleich mal letztinstanzlich gerichtet. Natürlich werden wir auch weiterhin gegen solch abgedroschenen Antikommunismus ankämpfen.
Manfred Reuther ist aktiv im Münchner Friedensbündnis
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