Rätz, Beseler, Dörrie, Bendow
Von Jegor Jublimov
Beim Neiße-Filmfestival wurde vor ein paar Tagen bewiesen, dass Trickfilmer Günter Rätz, der am Freitag 90 geworden wäre und kurz vorm 85. Geburtstag starb, etwas geschaffen hat, das junge Zuschauer noch immer begeistert. Seine kurzen, aber phantasievollen Filme »Peter und der Wolf« (1973) und »Das Erntefest« (1984) erhielten Applaus der Kleinsten wie auch der Eltern.
In den ersten Jahren der jungen Welt schrieb hier ein junger Journalist, der bald ein vielgelesener Autor werden sollte. Horst Beseler kam am Donnerstag vor 100 Jahren in Berlin zur Welt und starb 2020 in Mecklenburg. Bekanntheit erlangte er vor allem mit seinen Kinder- und Jugendbüchern, in denen er oftmals Geschichte und Gegenwart geschickt miteinander verband. »Käuzchenkuhle«, der auch Schulstoff war, konfrontiert Kinder mit einem SS-Offizier, der sich getarnt in die DDR der 60er Jahre retten konnte. Der Eulenspiegel-Verlag bringt das Buch, das auch verfilmt wurde, jetzt in einer Neuauflage heraus. Beseler arbeitete häufiger für den Film. Regisseur Jo Haslers »Der Tod hat ein Gesicht« (1961, mit Günther Simon) betraf die Entwicklung eines todbringenden Gifts und war in der Bundesrepublik angesiedelt. Die Mechanismen des Ineinandergreifens von Industrie und Politik für ungebremstes Profitstreben machen ihn bis heute aktuell.
Subtiler sind die Filme einer Regisseurin und Autorin angelegt. Doris Dörrie aus Hannover hat in verschiedenen Filmberufen gearbeitet, ehe sie 1985 mit ihrem Durchbruch »Männer« mit Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht in beiden deutschen Staaten das Publikum in die Kinos zog. Sie wurde nicht zu Unrecht als »Königin der modernen Beziehungskomödie« gesehen, bediente die Erwartung, aber ließ bald soziale Themen in den Vordergrund treten (»Happy Birthday, Türke«, 1991, »Die Friseuse«, 2010). Am Montag ist Münchens Ehrenbürgerin 70 geworden.
In mehreren Filmen, so mit dem Lebenskünstler Orfeo (Pierre Sanoussi-Bliss) in »Bin ich schön?«, ist Dörrie auf Lebensweisen außerhalb der Norm eingegangen. Am Donnerstag vor 75 Jahren starb in seiner Heimatstadt Einbeck der Komiker Wilhelm Bendow, nur 65 Jahre alt. Er war schon in der Kaiserzeit ein Publikumsliebling, der seine Homosexualität zumindest halb offen ausleben konnte, wie es in Künstlerkreisen einer Großstadt wie Berlin nicht unüblich war. So lieferte der intern »Lieschen« genannte Darsteller bereits 1912 eine Travestie in dem Film »Aus eines Mannes Mädchenzeit«. Auf Berlins Unterhaltungsbühnen feierte er in den 20er Jahren Triumphe, die ihn berühmt machten, so dass er sich auch noch halten konnte, als die Nazis kamen. Er riss das Publikum in Filmen, die frech waren, wie es gerade noch ging, zu Lachstürmen hin (»Die selige Exzellenz«, 1935, »Land der Liebe«, 1937, »Frühlingsluft«, 1938, »Münchhausen« 1943 als »Mann im Mond«), aber er blieb von der Gestapo überwacht. Nach dem Krieg spielte er noch in einem Defa-Film mit, und nach seinem Tod wurde kolportiert, dass er an den Folgen eines homophoben Überfalls starb.
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