Das Gold und die Hoffnung
Von Matthias Reichelt
Erst im Alter von 29 Jahren entschied sich Sebastião Salgado, eine Karriere als Fotojournalist einzuschlagen. Der am 8. Februar 1944 im brasilianischen Aimorés geborene Salgado studierte von 1963 bis 1967 in São Paulo Wirtschaftswissenschaft und heiratete die Pianistin Lélia Deluiz Wanick. Beide waren Teil der linken Protestbewegung gegen die Diktatur und mussten 1969 nach Paris emigrieren. Salgado arbeitete kurze Zeit für die Internationale Kaffeeorganisation in London. Dabei machte er in Afrika mit der Leica seiner Frau seine ersten Fotos. Fasziniert entschloss er sich 1973, freiberuflicher Fotograf zu werden, Metier Sozialdokumentation.
Salgado bereiste fortan alle Kontinente, 1979 wurde er in die berühmte New Yorker Fotoagentur Magnum aufgenommen. Sein Interesse galt bereits früh den elenden Arbeits- und Lebensbedingungen armer und ausgebeuteter Menschen im Tagebau und auf Plantagen, wobei er in seinen Reportagen auch die umweltzerstörerischen Praktiken der Konzerne einfing. So publizierte er etwa für Ärzte ohne Grenzen zwei große Bildbände über die hungernde Bevölkerung in der Sahelzone. Diese Erlebnisse schärften Salgados universalistisches Bewusstsein. Bekannt wurde er für seine perfekt komponierten Schwarz-Weiß-Fotos furchtbarer menschlicher Verhältnisse. Manche warfen ihm deshalb eine Ästhetisierung des Elends vor, etwa in einer Reportage über Goldschürfer im brasilianischen Serra Pelada. Während des ersten Golfkrieges fotografierte Salgado für die New York Times die brennenden Ölquellen in Kuwait ebenso in strengem Schwarz-Weiß. Diese Reportage brachte ihm 1992, nach einer Fotoserie zur Hungersnot in Äthiopien 1985, zum zweiten Mal den Preis der World Press Photo ein. Bilder einer Serie von Farbfotos, mit denen er 1981 zufällig das Attentat auf Ronald Reagan festhielt, wurden so oft reproduziert, dass er damit spätere Projekte finanzieren konnte.
1994 verließ Salgado Magnum und gründete mit seiner Frau die Agentur Amazonas Images, die ausschließlich sein Werk vertrieb. Neun Jahre lang arbeitete er an der Serie »Genesis« über unberührte Landschaften. Mit dem von ihnen gegründeten Instituto Terra unterstützte das Paar Wiederaufforstungsprojekte in Südamerika und setzte sich auch für das indigene Volk der Awá ein. Bei ihren Projekten scheuten sie nicht vor Kooperationen mit dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale oder dem italienischen Kaffeeunternehmen Illy zurück, was für heftige Kritik sorgte. Regisseur Wim Wenders und Salgados Sohn, Juliano Ribeiro Salgado, setzten dem Fotografen mit dem Dokumentarfilm »Das Salz der Erde« 2014 ein eindrucksvolles Denkmal.
Am 23. Mai 2025 ist Sebastião Salgado im Alter von 81 Jahren in Paris an Leukämie gestorben.
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