Streik mit alles und scharf
Von Gerrit Hoekman
Am Donnerstag hat die Belegschaft von Birtat, einem der führenden Hersteller von Dönerfleisch in Deutschland, den Spieß einfach mal umgedreht: Mit einem Warnstreik für vier Stunden legte sie die Produktion weitgehend stillgelegt. Die Beschäftigten in der Fabrik im Städtchen Murr bei Ludwigsburg wollen endlich einen Tarifvertrag. Den hat die gesamte Branche der Dönerhersteller bis jetzt nicht. Erst seit vergangenem Jahr gibt es in der Fabrik überhaupt einen Betriebsrat. Die Gehaltsstruktur bei Birtat sei »völlig willkürlich«, teilte die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) laut dpa mit. Zwei Verhandlungsrunden endeten bis jetzt ergebnislos.
Das Wetter war am Donnerstag morgen suboptimal – es regnete. »Aber die Mitarbeiter kennen es, im Regen stehen gelassen zu werden«, zitierte dpa Magdalena Krüger, die für die NGG die Tarifverhandlungen mit Birtat führt. Trotzdem sei die Stimmung am Werkstor gut, die Wut war deutlich spürbar. Nur rund ein Dutzend der 115 Werktätigen beteiligte sich nicht. Mit dem Warnstreik wolle man den Gesprächen einen Schubs geben, so Krüger. Die Beschäftigten verlangten eine deutliche Lohnsteigerung.
Nach eigenen Angaben beliefert die Aktiengesellschaft Birtat von Baden-Württemberg aus mehrere tausend türkische Restaurants und Dönerbuden in Europa mit den sich drehenden Fleischspießen aus Rind, Kalb und Hähnchen. Wenn diese Arbeit erledigt ist, werden die rohen Spieße schockgefrostet und an die Abnehmer verteilt. »Wir liefern Döner in viele europäische Länder, insbesondere nach Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, die Niederlande und Schweden«, erklärte Vorstandsmitglied Cihan Karaman auf der türkischsprachigen Branchenmagazin Dönerci Dergisi. Heute mampfen angeblich mehr als 13 Millionen Menschen Döner von Birtat, teilt die Firma auf ihrer Internetseite mit. Der Umsatz beläuft sich auf rund 200 Millionen Euro. Mit einem Teil der Einnahmen finanziert das Unternehmen als Hauptsponsor die deutsche Ringerbundesliga mit.
»Schon seit Anfang der 90er Jahre versprechen wir qualitativ hochwertiges Dönerfleisch zum fairen Preis«, heißt es auf Homepage von Birtat. Weniger fair sind nach Ansicht der Gewerkschaft NGG die Gehälter. Wer was verdient, würde häufig von persönlichen Beziehungen und dem eigenen Verhandlungsgeschick abhängen. »Das ist weder gerecht noch transparent und kann so nicht bleiben«, sagte Krüger. Die NGG fordert ein einheitliches Einstiegsgehalt von 3.000 Euro brutto – und zwar branchenweit. Die Tarifverhandlungen mit Birtat seien ein »absolutes Pilotprojekt«.
Laut dem Verband der Dönerproduzenten Deutschlands (VDD) gibt es hierzulande etwa 400 Dönerhersteller, die etwa 16.000 Restaurants und Imbissbuden mit Spießen versorgen. Berlin, Köln, Hamburg, das Ruhrgebiet und Rhein-Main sind die Zentren der deutschen Dönerproduktion. Birtat war eine der allerersten Fabriken in der Bundesrepublik. Als sein Vater in der 1980ern anfing, in der Region Ludwigsburg Döner Kebab zu verkaufen, marinierte er das Fleisch noch selbst und steckte es auf die Spieße, verriet Karaman im November 2023 der Stuttgarter Zeitung.
Der beliebte Imbiss ist allerdings inzwischen ein recht teures Vergnügen. Angesichts eines Durchschnittspreises von sieben bis acht Euro für einen normalen Döner Kebab, treten manche an der Imbisstheke mittlerweile in einen kurzfristigen Hungerstreik. Der Preis ist nach Ansicht von Karaman immer noch zu niedrig: »Eigentlich muss ein Döner zehn Euro kosten«, sagte das Vorstandsmitglied von Birtat im November 2023 gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Bis zum jW-Redaktionsschluss war Birtat nicht für ein Statement zu erreichen. »Da uns dieses Thema bislang neu ist, können wir aktuell leider keine fundierte Stellungnahme dazu abgeben«, antwortete der Branchenverband VDD auf eine Anfrage der jungen Welt. Das erstaunt, denn Karaman sitzt auch hier im Vorstand. Laut dpa ist die nächste Verhandlungsrunde zwischen Birtat und der Gewerkschaft für den 27. Mai geplant.
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