Feuer frei
Von Niki Uhlmann
Wer Polizisten angreife, greife »das ganze Volk an«, verklärte Sebastian Fiedler (SPD), selbst ehemals Hauptkommissar, die Exekutive am Mittwoch bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Unter dem Titel »Freiheitlichen Rechtsstaat schützen – Gewalt gegen Sicherheitskräfte konsequent entgegentreten« hatten Union und SPD diese anberaumt, um sich öffentlichkeitswirksam gegenseitig zu bescheinigen, dass sie derselben Meinung sind. Anlass dazu gaben mutmaßlich Angriffe auf Vollstreckungsbeamte in jüngster Vergangenheit. »Wir stehen hinter den Sicherheitsbehörden«, gelobte Fiedler also: Ressourcen, Ausrüstung, Befugnisse und strafrechtlicher Schutz müssten ausgeweitet werden.
»Sie treten besonnen auf«, hielt Günter Krings (CDU) seine Hand über die Sicherheitsbehörden, die erst am Dienstag im Grundrechtereport 2025 für allerlei Rechtsbrüche verantwortlich gemacht wurden. Krings konkretisierte, welche sicherheitspolitischen Verschärfungen geplant seien: nämlich die »Speicherung von IP-Adressen zur Bekämpfung schwerer Taten« sowie ein »einfacherer Datenaustausch zwischen allen Sicherheitsbehörden«. Inwiefern diese Informationen Angriffe auf Polizisten verhindern können, erklärte er nicht. Endgültig entsorgt würde damit aber der lang gepflegte Mythos, dass die BRD durch Aufteilung von exekutiven und nachrichtendienstlichen Sicherheitsbehörden eine Lehre aus dem deutschen Faschismus gezogen hätte.
Noch zynischer nutzte Steffen Janich (AfD) die Bühne, die ihm durch die Aktuelle Stunde geboten wurde. Man müsse darüber nachdenken, Polizisten den Schusswaffengebrauch »niederschwelliger als bisher« zu ermöglichen. »Seit Jahren« fehle die »politische Rückendeckung«, Einsatzkräften die Anwendung ihrer »Einsatzmittel nach Recht und Gesetz« zu erlauben. Im Klartext: Polizeigewalt, die wie so oft Recht bricht, soll schlicht legal werden. Der 2024 erreichte Höchststand tödlicher Polizeieinsätze scheint nicht zu interessieren.
Dass die Zahl der Angriffe trotz bereits verschärfter Strafgesetzgebung zunehme, letztere »also weder wirksam noch hilfreich sind, um echten Schutz zu gewährleisten«, wandte Jan Köstering (Die Linke) ein. Bekämpfen müsse man statt dessen die Ursachen der Kriminalität, darunter »Ideologien der Ungleichwertigkeit«, Autoritarismus und Prekarisierung. Mehr Sozialarbeit, Umverteilung und eine »Demokratisierung der Polizei«, etwa durch »unabhängige Beschwerdestellen mit Ermittlungsbefugnissen«, würden den Rechtsstaat besser schützen als die bisherige »konservative Linie in der Sicherheitspolitik«. Er schloss: »Wie wäre es damit, statt immer gewaltfähiger zu werden, endlich deeskalationsfähig zu werden?«
Gleichentags hielt die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erarbeitete Studie »Polizei und Diskriminierung« fest: »Diskriminierung ist in der Polizei komplex und tief verwurzelt.« In rassistischen Profilingmethoden, die heute durch Algorithmen »automatisiert« werden, komme demnach »institutionelle Diskriminierung« zum Ausdruck. Diese leiste wiederum »individueller Diskriminierung« Vorschub, die auf »persönlichen Vorurteilen« der Knüppelgarde basiere. Zu beobachten sei außerdem, dass diese Probleme »innerhalb der Polizei bisher nicht systematisch bearbeitet werden«.
Ob man es mit der Staatsgewalt zu tun bekommt oder von ihr vernachlässigt wird, hänge von »äußeren Merkmalen wie Hautfarbe, Geschlecht oder sozialem Status« ab. So stünden bei »anlassunabhängigen« Kontrollen »insbesondere migrantisch, jung und männlich erscheinende Personen im polizeilichen Fokus«. So nehme die Polizei Notrufe, Beschwerden und Strafanzeigen von stigmatisierten Gruppen weniger ernst, etwa von psychisch Kranken oder von »Opfern häuslicher und sexualisierter Gewalt«. Umgekehrt würde die Polizei mitunter tätig, wenn Stigmatisierte angeschwärzt werden, »ohne dass tatsächlich etwas vorgefallen ist«. Bei Protesten fielen diese Mängel häufig zusammen und führten zu »selektiven Festnahmen oder übermäßiger Polizeigewalt« – auch aufgrund der »politischen Positionierung«.
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