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Aus: Ausgabe vom 13.05.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskampf in Portugal

Angriff aufs Streikrecht

Portugal: Beschäftigte im Zugverkehr fordern bessere Löhne. Premier diffamiert Arbeitskampf. Parlamentswahl steht am Sonntag an
Von Fabian Linder
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Auch auf der Straße wird in Portugal für bessere Arbeit demonstriert (1. Mai in Lissabon)

Seit Wochen schwelt in Portugal ein Konflikt zwischen den Eisenbahngewerkschaften und der staatlichen Betreibergesellschaft Comboios de Portugal (CP) um höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen. Bereits vergangene Woche bestreikten verschiedene Gewerkschaften im Eisenbahn- und Nahverkehrsbereich die CP vollständig. Dem schlossen sich am Donnerstag auch die Gewerkschaft der Maschinisten (Smaq) sowie am Sonntag die Schalterbeschäftigten an. Um den Druck im festgefahrenen Konflikt zu erhöhen, haben die Gewerkschaften ihre Streiks bis einschließlich Mittwoch ausgedehnt. Die CP sprach von 74 Prozent der Verbindungen, die zeitweise ausgefallen sind.

In der Stellungnahme zum Streikeintritt bezieht die Smaq Stellung zu den vom zuständigen Ministerium angekündigten fünf Millionen Euro, die für die Gehaltserhöhungen verwendet werden sollen. Davon würden lediglich zwei Millionen Euro durch die von der Regierung angeordneten Gehaltsanpassungen bei den Mitarbeitern ankommen. Die Erhöhung liege damit weit unter dem Mindestbetrag von 56,50 Euro, der für die Erhöhungen in der öffentlichen Verwaltung vorgesehen ist. Die Smaq spricht daher von inakzeptabler Diskriminierung der CP-Arbeiter. Darüber hinaus seien auch mit den restlichen angekündigten drei Millionen Euro die entsprechenden Erhöhungen inakzeptabel. Der Verband der Transport- und Kommunikationsgewerkschaften des portugiesischen Gewerkschaftsverbands CGTP-IN sprach von einer weiteren Entwertung der Gehälter. Auch die Gewerkschaft der Schaltermitarbeiter, die in einen Teilstreik gegangen sind, sprach von unzureichenden Erhöhungen. Luís Bravo von der Gewerkschaft SFRCI erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Lusa, dass der Streik ein »deutlicher Ausdruck der Unzufriedenheit der Arbeiter« ist, welche seit 2010 gegen Niedriglöhne kämpfen.

Bereits am 24. April einigten sich die Eisenbahner und die CP auf verbesserte Löhne. Die Einigung scheiterte jedoch am Ende an der fehlenden Zustimmung der Regierung, welche für die CP verantwortlich ist. Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Regierung für das von ihr verursachte Chaos. Insbesondere in der Peripherie müsse die dort lebende Bevölkerung oftmals lange Pendelwege zurücklegen, um zur Arbeit zu kommen. Damit wirke sich der Streik auf alle Bereiche aus, wie die NGO »Vida Justa« beschreibt.

Anstatt eine entsprechende Lösung zu suchen oder der Einigung zuzustimmen, zielt die Regierung unter Ministerpräsident Luís Montenegro (PSD) auf einen Angriff auf das Streikrecht ab. Dieses müsse in Einklang mit weiteren Bürgerrechten gebracht werden. Die Streiks diffamierte Montenegro gleichfalls als politisch und wahltaktisch motiviert. Dieser Vorwurf wurde von den Gewerkschaften als »absurd« zurückgewiesen. Schützenhilfe bekommt Montenegros Regierung von der Liberalen Initiative (IL), einer erst 2017 gegründeten liberalen Partei. Diese forderte umgehend eine Privatisierung der CP und machte die Gewerkschaften für das Chaos verantwortlich. Der oppositionelle Partido Socialista (PS) sprach angesichts der Missachtung von Arbeiterrechten von einem Affront gegen die Demokratie und die Errungenschaft der Nelkenrevolution.

Besonders brisant sind die Streiks für die vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag. Diese wurden Anfang März infolge einer verlorenen Vertrauensfrage des noch regierenden Ministerpräsidenten Montenegro notwendig. Wahlumfragen deuten weiter darauf hin, dass keine der beiden großen Volksparteien am Sonntag eine stabile Mehrheit hinter sich versammeln kann. Somit ist eine weitere Minderheitsregierung des rechtskonservativen Parteienbündnisses Aliança Democrática, in dem Montenegros PSD stärkste Kraft ist, nicht auszuschließen.

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