Privilegien für Reeder
Von Burkhard Ilschner
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) kann sich vor Freude kaum einkriegen. Als Union und SPD im April den Entwurf ihres Koalitionsvertrages vorstellten, äußerte der Verband laut einem Bericht des Onlinedienstes Hansa seine Begeisterung, dass die künftige Bundesregierung »die Tonnagegewinnbesteuerung unterstützen und sich für einheitliche Rahmenbedingungen auf EU-Ebene einsetzen« wolle. Als Anfang vergangener Woche der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seine erste Regierungserklärung präsentierte, legte der VDR überschwänglich nach: Die Regierung sei »gut beraten, die maritime Wirtschaft ins Zentrum wirtschafts- und sicherheitspolitischer Strategien zu stellen«, hieß es in einer Pressemitteilung. Der VDR begrüße die von Merz »angekündigten Maßnahmen zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität«.
Wohlgemerkt: Dieses Verständnis von »Wettbewerbsfähigkeit« hat wesentlich zu tun mit der erwähnten »Tonnagegewinnbesteuerung«, einer kritisierten Subvention, die jährlich tiefe Löcher in den Bundeshaushalt reißt. Und mit »Standortattraktivität« meinen die Reeder die anhaltende Ausflaggung ihrer Schiffe in fremde Register, so dass aktuell in der deutschen Handelsflotte nur 173 Frachtschiffe unter »Schwarz-Rot-Gold« fahren – während gleichzeitig 1.396 in Antigua und Barbuda, Portugal (Madeira), Liberia, Zypern sowie elf weiteren Ländern registriert sind; die meisten davon hat die Internationale Transportarbeiterföderation (ITF) als »Billigflaggen« eingestuft.
Es ist knapp ein Jahr her, dass der Spiegel berichtete, der Bundesrechnungshof (BRH) habe die »Tonnagegewinnbesteuerung« und weitere Schiffahrtssubventionen stark kritisiert und die damals noch amtierende Ampelkoalition aufgefordert, diese zu begrenzen. Dieses Verlangen hatte der BRH in vergangenen Jahrzehnten schon wiederholt erhoben; auch 2024 hatte der Appell jedoch keine Folgen – jetzt findet sich im aktuellen Koalitionsvertrag das eingangs erwähnte Bekenntnis von CDU/CSU und SPD zur »Tonnagegewinnbesteuerung«.
Wie wiederholt berichtet, ist dieser Begriff – oft auch zu »Tonnagesteuer« verkürzt – irreführend, denn eigentlich geht es um einen enormen Steuerverzicht, um Reederbegünstigung auf Kosten der Steuerzahler: Die Handelsschiffe sind keiner normalen Gewinnversteuerung unterworfen, wie sie für andere Unternehmen gilt. Statt dessen wird die Steuerschuld nach einem komplizierten und umstrittenen Pauschalierungsschlüssel nur aus der Größe eines Schiffs und der Anzahl seiner Betriebstage berechnet – Menge und Wert der transportierten Fracht oder erzielte Gewinne bleiben unberücksichtigt. Der jüngste Subventionsbericht der (alten) Bundesregierung vom August 2023 bezifferte die Steuermindereinnahmen durch Tonnagebesteuerung für die Jahre 2021 bis 2024 auf 22,58 Milliarden Euro; hinzu kommen mehrere hundert Millionen Euro für weitere Schiffahrtssubventionen.
Substantiell war die BRH-Kritik vergangenen Jahres eindeutig: Trotz der üppigen Reederförderung schrumpfe nicht nur die deutsche Handelsflotte, sondern auch die Zahl der Beschäftigten kontinuierlich – es sei »nicht ohne weiteres erkennbar«, dass die milliardenschwere Begünstigung der Branche nennenswerte positive Effekte habe. Erst Anfang Mai hat übrigens auch Verdi ebendies erneut beanstandet. Anlässlich des 37. Deutschen Schiffahrtstages in Hamburg forderten Maren Ulbrich, Branchenleiterin Maritime Wirtschaft, und Schiffahrtssekretär André Scheer in einer Pressemitteilung von der Bundesregierung »Maßnahmen zur Stärkung der zivilen deutschen Handelsflotte«. Ausflaggungen seien »Tarifflucht auf See«, bewirkten einen »anhaltenden Verlust an maritimem Know-how in Deutschland« und schwächten Standort und Außenhandel. Zwar wird die Gewährung von Tonnagebesteuerung von Verdi nicht grundsätzlich kritisiert, die Gewerkschaft unterstreicht aber ihre schon jahrelang erhobene Forderung, diese Subvention »künftig an das Führen der Bundesflagge und die Ausbildung einheimischer Seeleute zu binden«.
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