Grenzregime schlaucht aus
Von Kristian Stemmler
In den Reihen der polizeilichen Exekutive scheinen die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor rund zwei Wochen angeordneten verschärften Grenzkontrollen anhaltend unpopulär zu sein – allerdings nicht aus humanitären Erwägungen, sondern unter dem Gesichtspunkt der eigenen Arbeitsbelastung. Die Berufsorganisation Gewerkschaft der Polizei konstatierte am Montag, die personalintensiven Kontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden seien nicht lange durchzuhalten. »Das schaffen wir nur, weil Dienstpläne umgestellt wurden, die Fortbildungen der Einheiten aktuell auf Eis liegen und derzeit der Abbau von Überstunden gestoppt ist«, erklärte Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Bundespolizeigruppe in der GdP, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die intensiven Kontrollen könne die Polizei »nur noch einige Wochen aufrechterhalten«, betonte der Funktionär. Weit über 1.000 Beamte der Bereitschaftspolizei seien seit Tagen im Grenzraum im Einsatz. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, stellte Roßkopf klar, dass seine Gewerkschaft grundsätzlich hinter dem Bemühen der Bundesregierung stehe, die »irreguläre Migration nach Deutschland auch mit Grenzkontrollen durch die Bundespolizei zu reduzieren«.
Noch etwas anders klang das bei Roßkopfs Kollegen, GdP-Vize Sven Hüber, der für den Bereich Bundespolizei und Zoll zuständig ist. Dieser bezweifelte dem MDR gegenüber den Nutzen der verstärkten Grenzkontrollen für eine Senkung der Asylbewerberzahlen. Die Zahl der Zurückweisungen sei im Vergleich zu jener der Asylanträge sehr gering. Die Schleuser seien »hochprofessionell«. Asylsuchende würden momentan in ihren Zwischenunterkünften im Ausland zurückgehalten, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Hüber plädierte für eine Ausweitung verdeckter Kontrollen an der Grenze. Allerdings zeigen Dobrindts Maßnahmen durchaus eine gewisse Wirkung: Vergangenen Donnerstag prahlte der Minister, dass binnen einer Woche mit 739 Menschen 45 Prozent mehr Schutzsuchende zurückgewiesen worden seien als in der Woche zuvor.
Auch die Grünen bezweifelten, dass die von Dobrindt angeordneten Grenzkontrollen auf Dauer durchzuhalten sind. Sie gehe davon aus, dass sich die Lage rasch zuspitzen werde, erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic am Montag gegenüber RTL/N-TV. Sie äußerte Verständnis für die Klagen der GdP, verwies auf Zwölf-Stunden-Dienste und gestrichene Fortbildungen für die Beamten. Diese seien bereits an der Belastungsgrenze angelangt.
Bei der Union lässt man sich von solchen Einwänden nicht beirren. So erklärte Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, am Montag gegenüber den Funke-Zeitungen, »dass die Grenzkontrollen Wirkung zeigen«. Mit dem »verschärften Aufgebot an Bundespolizei« setze die Bundesregierung »ein klares Zeichen: Deutschland ist nicht mehr der Magnet für Migration in Europa«. Ein solches Signal hätten sich »unsere europäischen Nachbarn seit vielen Jahren erhofft«, wusste der CDU-Mann.
Beim Koalitionspartner der Union, der SPD, ist man skeptischer. Der SPD-Innenexperte Lars Castellucci warnte erneut vor Risiken des Vorgehens. Mit den verschärften Kontrollen und »unabgestimmten Zurückweisungen« auch von Asylsuchenden gehe Deutschland das Risiko ein, »dass unsere europäischen Nachbarn den gemeinsamen Kurs der Asylreform in Europa verlassen und auf nationale Maßnahmen setzen«, sagte Castellucci den Funke-Zeitungen. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, erklärte am Sonntag in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks, die Grenzkontrollen kämen in Brüssel »ganz, ganz schlecht« an.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich unterdessen zu den Abstimmungen im Bundestag über die Migrationspolitik Ende Januar geäußert. Die Union hatte damals mitten im Wahlkampf zusammen mit der AfD gestimmt und damit die Migrationspolitik endgültig zum Zentralthema des Wahlkampfes gemacht. Es sei ein Fehler gewesen, die betreffende Sitzungswoche abzuhalten, erklärte nun Linnemann gegenüber dem Podcast Table Today – wobei ihn das gemeinsame Abstimmen mit der AfD weniger störte. Linnemanns Begründung lautet: Die Abstimmung habe »zu einer Polarisierung geführt, die die linke Seite mobilisiert hat«.
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