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Aus: Ausgabe vom 20.05.2025, Seite 2 / Inland
Antimilitarismus

»Meistens bekommen wir viel Zuspruch«

In Köln soll im Spätsommer mit einem Protestcamp gegen die Aufrüstung mobilisiert werden. Ein Gespräch mit Dina Pütz
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Ende August soll in Köln mit einem Camp gegen den Aufrüstungskurs der Regierung protestiert werden. Warum wollen Sie gerade dort Ihre Zelte aufschlagen?

Mit unseren Camps und Protestaktionen waren wir in der Vergangenheit schon an verschiedenen Standorten der Rüstungsindustrie, beispielsweise in Kassel, Unterlüß und Oberndorf. An unseren letzten Camport Kiel knüpft Köln direkt an: Der in Kiel ansässige U-Boot-Bauer Thyssen-Krupp Marine Systems, der unter anderem Israel beliefert, soll nun von der Kölner Deutz-Werft übernommen werden. Aber auch darüber hinaus gibt es in Köln zahlreiche Waffenschmieden. Gerade erst wurde beschlossen, dass von dort der Bau des MGCS-Panzersystems von KNDS und Rheinmetall koordiniert wird. Auch in vielen Nachbarstädten gibt es zahlreiche Akteure der Aufrüstung, wie den Hauptsitz des Verteidigungsministeriums in Bonn.

Welche Vorteile bietet ein Protestcamp gegenüber Kundgebungen, Flugblättern oder Infoständen?

Grundsätzlich gehören all diese Praxisformen auch zu dem, was man im Rahmen unserer Camps erwarten kann. Der besondere Wert eines Camps ist aber, dass sie einen Ort bieten, an dem verschiedenste Teile der antimilitaristischen Bewegung zusammenkommen können, um sich zu vernetzen, zu bilden und Aktionen zu planen. Wir wollen vor allem auch einen Rahmen schaffen, in dem Dinge entstehen können, die gar nicht zwangsläufig von uns selber ausgehen. Immer wieder hört man gerade, dass es eine neue und schlagkräftige Antikriegsbewegung braucht, die der herrschenden Kriegshetze etwas entgegensetzen kann. Unsere Camps sollen einen Beitrag dazu leisten.

In Ihrer Mitteilung kündigen Sie »direkte Aktionen gegen die treibenden Kräfte hinter der Kriegstüchtigkeit« an. Was und wer ist damit gemeint?

Die Liste ist lange. Für uns waren natürlich die Rüstungskonzerne immer von zentraler Bedeutung, genau wie ihre Kapitalgeber. In Kiel gab es beispielsweise auch Aktionen gegen die Deutsche Bank. Gerade in einer Zeit, in der wieder über Wehrpflichtmodelle und sozialen Kahlschlag für die Aufrüstung diskutiert wird, geht es uns aber auch um den Staat mit dem Militär sowie die kriegstreiberischen Parteien. Unsere Aktionen haben natürlich immer einen symbolischen Wert, darauf beschränken wir uns aber nicht. Ziel ist es immer, zumindest für kurze Zeit Waffenproduktion und Kriegsvorbereitung zu behindern.

Wie wollen Sie die Kölner Bevölkerung erreichen?

Mit der lokalen Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, ist für uns immer von zentraler Bedeutung. Wir bieten beispielsweise Nachbarschaftstreffen an. Meistens bekommen wir dabei viel Zuspruch, und die Leute freuen sich über antimilitaristischen Protest in ihrer Stadt. Und gerade jetzt ist die mögliche eigene Betroffenheit ja deutlich: Immerhin soll die Jugend wieder eingezogen werden, und an allen Ecken und Enden wird gespart, um den Umbau zur Militärrepublik zu finanzieren. Zu vermitteln, dass wir dagegen – im Idealfall gemeinsam mit der Stadtbevölkerung – aktiv werden wollen, wird eine zentrale politische Aufgabe für unser Camp.

Die Aufrüstung dürfte für viele Unternehmen auch ein Ausweg aus der Krise sein. Was entgegnen Sie denen, die auf Arbeitsplatzsicherung in den Betrieben hoffen?

Das ist eine große Lüge, die leider auch von den Gewerkschaften mitverbreitet wird. Klar bringt die Aufrüstung erst mal Arbeitsplätze. Dort werden aber ausschließlich Dinge produziert, die der Gesellschaft nichts bringen. Im besten Fall liegen die produzierten Waffen dann ungenutzt herum, im schlechtesten Fall werden sie eingesetzt, um Menschen aus anderen Ländern umzubringen. Ein Ausweg aus der Krise ist das ganz sicher nicht. Eher erhöht es die Gefahr, dass diejenigen, die jetzt Waffen produzieren, selber gezwungen werden, diese Waffen gegen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Staaten einzusetzen. Dass jetzt in Autofabriken Panzer gebaut werden sollen, zeigt aber immerhin, dass Konversion problemlos möglich ist, wenn der Wille da ist. Es müsste also auch ohne Waffenproduktion kein Arbeitsplatz gestrichen werden, die Produktion müsste nur auf gesellschaftlich nützliche Dinge umgestellt werden. Um das zu vermitteln, suchen wir immer auch den Kontakt zu den Beschäftigten in den Rüstungsbetrieben. Unsere Feinde sind nicht diejenigen, die dort beschäftigt sind, sondern die Bosse.

Dina Pütz ist Sprecherin der Kampagne »Rheinmetall entwaffnen«

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