4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Gegründet 1947 Freitag, 3. Mai 2024, Nr. 103
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten 4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Aus: Ausgabe vom 09.04.2024, Seite 7 / Ausland
Iran und Israel

Warten auf den Gegenschlag

Routine: Iran droht nach Anschlag auf Botschaftsgelände mit Vergeltung. Israel gibt an, auf jedes Szenario vorbereitet zu sein
Von Knut Mellenthin
7.jpg
Im Fadenkreuz: Iran will Bombardierung von Botschaft nicht auf sich beruhen lassen (Teheran, 3.4.2024)

Wird es einen Vergeltungsschlag geben? Seit die israelische Luftwaffe am Montag vor einer Woche sieben Offiziere der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) in der syrischen Hauptstadt Damaskus ermordete, hält die Spannung darüber an. Berichten zufolge haben nicht nur Israel, sondern auch die USA einen Teil ihrer Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt; für israelische Kampfeinheiten soll es eine Urlaubssperre geben, und einige zusätzliche Reservisten wurden angeblich zu den Luftverteidigungskräften einberufen. Auf Gerüchten basierende Meldungen, wonach Israel zahlreiche diplomatische Vertretungen rund um die Welt vorsorglich evakuiert habe, wurden am Donnerstag vom Außenministerium dementiert. Am selben Tag kündigten aber laut Presseberichten mehrere städtische und kommunale Verwaltungen in Israel mit Blick auf eine mögliche Eskalation die Öffnung der Luftschutzbunker an.

Israelische Kampfflugzeuge hatten am 1. April ein Gebäude auf dem Gelände der iranischen Botschaft in Damaskus mit sechs Raketen völlig zerstört. Nach dem Angriff gab das Korps der Islamischen Revolutionsgarden den Tod von sieben namentlich genannten Offizieren seiner Abteilung für Auslandseinsätze, der Kuds-Truppe, und von sechs weiteren nicht näher bezeichneten Personen bekannt. Unter den gezielt Getöteten, die sich anscheinend zu einer Arbeitssitzung getroffen hatten, sind der für Syrien und den Libanon zuständige Kommandeur, Brigadegeneral Mohammad Reza Zahedi, und dessen Stellvertreter.

Die politische und militärische Führung Israels hat, wie generell üblich, den Auftragsmord nicht bestätigt, sonnt sich aber im Glanz des ohnehin Offensichtlichen. Nach Berichten der Financial Times, der New York Times und anderer westlicher Zeitungen, die sich auf die Auswertung iranischer Medien berufen, haben israelische Kräfte seit Beginn des Krieges im Gazastreifen mindestens 18 Angehörige der Kuds-Truppe, darunter vier hochrangige Kommandeure mit langjähriger Kriegserfahrung, in gezielten Operationen ermordet. Das setzt umfangreiche Kenntnisse und Beobachtungen der militärischen Aufklärung Israels und vermutlich auch »undichte Stellen« in den Sicherheitsstrukturen der Islamischen Republik voraus.

Zahlreiche iranische Politiker und Militärführer, einschließlich des verfassungsmäßigen Staatsoberhaupts, des »Revolutionsführers« Ali Khamenei, des Präsidenten Ebrahim Raisi und des Parlamentssprechers Mohammad Baker Kalibaf, haben nach der Ermordung der sieben IRGC-Offiziere mit unterschiedlichen Formulierungen »harte Bestrafung und Vergeltung gegen Israel« angekündigt. Das gehört zur Routine und hat keine konkrete Bedeutung. Bisher ist nicht ein einziger Fall bekannt, in dem Iran auf Israels Aktionen gegen seine eigenen Leute oder seine Verbündeten – allein in Syrien sollen es in den letzten Jahren mehrere hundert Angriffe gewesen sein – militärisch reagiert hat. Diese strikte Zurückhaltung wird im Iran unter Bezeichnungen wie »Strategie der Geduld« zur politischen Klugheit verklärt.

Die politische und militärische Führung Israels weiß aber, dass auf diesen Mechanismus nicht hundertprozentig und schon gar nicht für alle Zeiten Verlass ist. Am Sonntag hat Verteidigungsminister Joaw Gallant den israelischen Medien und über diese der Welt einschließlich Teherans mitgeteilt, dass die Streitkräfte »ihre Vorbereitungen für eine Antwort auf jedes Szenario, das sich gegen Iran entwickeln könnte, abgeschlossen haben«.

Der Kern von Gallants Botschaft: Sollte der Iran wider Erwarten direkt oder indirekt über einen seiner Verbündeten in der Region eine Operation durchführen, die Israel wirklich empfindlich trifft, würden dessen Streitkräfte trotz des Eskalationsrisikos in einer noch stärkeren Qualität und Quantität »zurückschlagen«. Israelische Leitartikler fordern schon länger, »den Kampf zum Kopf der Krake zu tragen«, statt nur mit deren »Tentakeln« – Irans Verbündeten – zu ringen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (8. April 2024 um 21:10 Uhr)
    Dass sich zum fraglichen Zeitpunkt hochrangige Militärs in der Botschaft aufhalten war zumindest im Iran kein Geheimnis, wieweit US-Kräfte involviert sind, wird allerdings zum Geheimnis gemacht.

Ähnliche:

  • Komplette Zerstörung mitten in Damaskus: Vom iranischen Konsulat...
    03.04.2024

    Terror gegen Teheran

    Damaskus: Angriff Israels mit Kampfjets aus US-Produktion auf Botschaft Irans. Russland und China kritisieren Verletzung der Souveränität Syriens
  • Weltkulturerbe in der Altstadt getroffen: Die zerstörte Zitadell...
    20.02.2023

    Raketen auf Damaskus

    Israel attackiert syrische Hauptstadt. Oppositionsnahe »Beobachtungsstelle« gibt militärische Ziele an, getroffen wurde Altstadt
  • Israelische Panzer 2014 auf den besetzten Golanhöhen
    01.08.2019

    Hunderte Angriffe

    Israelische Politiker rühmen ihr Land als »das einzige auf der Welt, das Iraner tötet«. Berichte über Attacken im Irak