4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 09.04.2024, Seite 6 / Ausland
Sozialsysteme zerstört

Griechische Konservative beglücken EU

Parteitag: Kommissionspräsidentin lobt neoliberalen Kurs der regierenden Nea Dimokratia
Von Hansgeorg Hermann

Aus den »Pleitegriechen« sind politische Anführer geworden, mit denen das Kapital wieder zufrieden ist. Ursula von der Leyen, im Hauptberuf Präsidentin der Europäischen Kommission, hat sich am Sonntag beim 15. Ordentlichen Parteitag der Nea Dimokratia (ND) sehen lassen und sich überschwänglich bei ihrem »Freund Kyriakos« Mitsotakis, dem aktuellen rechten Regierungschef an der Ägäis, dafür bedankt, dass er Hellas aus dem »Chaos« wieder zurück auf den guten neoliberalen politischen Weg geführt habe. Das Land, das rund 14 Jahre von Brüssel und vor allem von der deutschen Vormacht aufgezwungene Katastrophenwirtschaft hinter sich hat, sei unter Mitsotakis, der seit dem Juli 2019 an der Macht ist, »ein Führer in Ökonomie« geworden. Der »Freund« in Athen, der jüngst einen Misstrauensantrag der sozialdemokratischen parlamentarischen Opposition überstand, ernannte – mit Blick auf die EU-Wahl am 9. Juni – den »Populismus« zum »gefährlichsten Feind« der europäischen Demokratie.

Dem huldigt allerdings Manfred Weber, deutsch-bayerischer Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), der in den vergangenen Monaten und Jahren immer ein gern gesehener Gast bei sogenannten Populisten wie der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni war und als Wegbereiter einer »alternativen Mehrheit« aus bürgerlicher und extremer Rechter im EU-Parlament als verdächtigter Spezi des Griechen gilt. Er war am Sonnabend ebenfalls in Athen aufgetaucht. Kein Wunder: Was Weber und von der Leyen offenbar auf europäischer Ebene anstreben – die Vervollkommnung einer »Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft«, die alles privatisiert, was eben noch nationaler Besitz war und sämtliche Grenzen dichtmacht – ist an der Ägäis im großen und ganzen schon gelungen. Mitsotakis hat seine absolute, inzwischen unbesiegbar scheinende Mehrheit auch deshalb errungen, weil er und die von ihm geführte Nea Dimokratia die versprengten faschistischen Gruppen des Landes eingesammelt und integriert haben. In seinem Kabinett sitzen und saßen von Beginn an Minister, die bis heute extrem rechten, meist fundamentalistisch-religiösen Zirkeln zuzurechnen sind.

Die warmen Worte der deutschen Kommissionspräsidentin bestätigten, dass die weitgehende Zerstörung des griechischen Sozialsystems im vergangenen Jahrzehnt in Brüssel und Berlin offenbar als weitgehend erfolgreich und abgeschlossen gilt. Von der Leyen freu^»führende Rolle« in der von der NATO verteidigten europäischen Demokratie einnehme, auch bei der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Das alles, weil der »Freund« Kyriakos »Führerschaft« gezeigt habe beim kapitalistischen Rückbau des Landes: »Es ist in der Tat eindrucksvoll«, lobte die EU-Anführerin, »vor noch nicht allzu langer Zeit stand Griechenland vor dem Chaos, aber unter Deiner Führung ist Griechenland ein Vorbild in Wirtschaftspolitik geworden. Es hat den europäischen Durchschnitt hinter sich gelassen«.

Bezahlt haben das die rund elf Millionen Menschen an der Ägäis teuer. Renten und Löhne wurden zeitweise auf die Hälfte reduziert, der Mindestlohn liegt derzeit bei 780 Euro – bei Mietpreisen in Athen wie auch in der Provinz von 400 bis 500 Euro für eine 60 Quadratmeter kleine Zweizimmerwohung bleibt da nicht einmal mehr Geld für die Heizung im Winter. Stundenlöhne von unter fünf Euro verdienen die Bezeichnung »Lohn« nicht mehr; Gewerkschaften und vor allem die Kommunistische Partei (KKE) mahnten eine dringende Erhöhung und das Ende der schamlosen Ausbeutung im Alltag an, bisher vergeblich. Landraub und Privatisierung, wie der Athener Costis Hadjimichalis, emeritierter Professor für Ökonomische Geographie, sie in seinem Buch über die »Schuldenkrise Griechenlands« beschrieb, haben unter Mitsotakis ihren Höhepunkt erreicht.

Im Oktober wird seine Partei ND ihren 50. Gründungstag feiern. Sie ist, seit sein Vater Konstantinos Mitsotakis 1991 Ministerpräsident wurde, zu einer Art Familienunternehmen mutiert, das Land und Leute nach streng privatwirtschaftlichen Regeln für das Kapital arbeiten lässt.

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