Schizophrenie
Von Max Grigutsch
Der Aufschrei ist groß. Am Dienstag abend (Ortszeit) hat das US-Außenministerium Einreiseverbote gegen zwei Deutsche und drei weitere Europäer verfügt. »Radikale Aktivisten« seien das, erklärte das Ministerium auf der Internetplattform X. Darunter die Trägerin des Bundesverdienstordens Anna-Lena von Hodenberg und ihre Kollegin Josephine Ballon. Beide sind Geschäftsführerinnen der gemeinnützigen Organisation »Hate Aid«, die sich der Beratung bei Hass und Hetze im Internet verschrieben hat. Der Vorwurf in den Worten des US-Außenministers Marco Rubio auf X: »Viel zu lange haben Ideologen in Europa gezielte Bemühungen unternommen, um amerikanische Plattformen dazu zu zwingen, amerikanische Meinungen zu bestrafen, die ihnen nicht passen.«
Die Chance einer Inszenierung wittern Berufspolitiker schnell. »Nach welchen Regeln wir in Deutschland und in Europa im digitalen Raum leben wollen, wird nicht in Washington entschieden«, hieß es prompt von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). Emmanuel Macron: »Diese Maßnahmen kommen Einschüchterung und Zwang gleich, die darauf abzielen, die europäische digitale Souveränität zu unterwandern.« Die EU-Kommission will Vergeltung. Die Gunst der Stunde wollen auch die Grünen nutzen. »Die Einreiseverbote sind ein autoritärer Einschüchterungsversuch und ein direkter Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit in Europa«, meint Parteichefin Franziska Brantner, während ihr Parteikollege Omid Nouripour »umgehend den Geschäftsträger der US-Botschaft« einbestellt sehen will. Und so weiter.
Dabei könnte die Schizophrenie kaum ausgeprägter sein. Schließlich verfügt die EU über ihre ganz eigenen Sanktionslisten. Erst vergangene Woche hatte der Rat der EU 12 weitere natürliche Personen sanktioniert, darunter den ehemaligen Schweizer Oberst Jacques Baud, der sich in verschiedenen Publikationen und im Fernsehen – Gefahr: unter anderem in Russland – wiederholt kritisch zur Ukraine-Politik Brüssels geäußert hat. Auch gelistet: Der Berliner Journalist Hüseyin Doğru, bei dem die Behauptung, er habe Verbindungen nach Moskau, wohl eher verschleiert, was mit der Maßnahme tatsächlich erwirkt werden soll, nämlich dass Doğru weniger über die hiesige Palästinabewegung berichtet.
Solche Sanktionen, die durchaus gravierendere Wirkungen haben als Einreiseverbote (kein Zugang zum eigenen Geld, de facto Verbot von Lohnarbeit, usw.), sind nur ein Mittel von vielen. So wurde vor wenigen Tagen das Medium Euractiv nach kritischer Berichterstattung offenbar von Hintergrundbriefings der Kommission ausgeschlossen. Das ist noch mild. Dass die Staatsmacht kritische Medien auch mal unter Beobachtung des Inlandsgeheimdienstes stellt oder die Polizei in ihre Geschäftsräume bestellt, dürfte den Leserinnen und Lesern von junge Welt, die laut Geheimdienst das »bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus« ist, wohlbekannt sein. Auch das ist noch mild.
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