Offener Brief an EU-Kommission: Gefahren der Deregulierung
Am Donnerstag sandten 128 zivilgesellschaftliche Organisationen einen offenen Brief an die EU-Kommission, in dem sie vor den Gefahren warnen, die von den anstehenden Deregulierungsplänen der Europäischen Union ausgehen:
Wir, 128 zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften, möchten mit diesem Schreiben unsere tiefe Besorgnis über die bevorstehenden Vorschläge zum EU-Digitalomnibus als Teil einer umfassenden Deregulierungsagenda zum Ausdruck bringen. Als »technische Straffung« der EU-Digitalgesetze präsentiert, handelt es sich tatsächlich um den Versuch, Europas wirksamste Schutzmaßnahmen gegen digitale Bedrohungen ohne viel Aufhebens abzubauen. Diese Schutzmaßnahmen sorgen dafür, dass die Daten aller geschützt sind, Regierungen zur Rechenschaft gezogen und Menschen davor geschützt werden, dass KI-Systeme über ihre Lebenschancen entscheiden – also letztlich unsere Gesellschaften frei von unkontrollierter Überwachung bleiben.
Sofern die Europäische Kommission ihren Kurs nicht ändert, wäre dies der bislang größte Rückschritt für die digitalen Grundrechte in der Geschichte der EU. Dies geschieht unter dem Radar, unter Verwendung von überstürzten und undurchsichtigen Verfahren, die darauf abzielen, eine demokratische Kontrolle zu umgehen.
Dieser besorgniserregende Ansatz ist auch in den anderen Omnibusvorschlägen angelegt, bei denen demokratische Schutzmaßnahmen ignoriert werden. So haben vermeintlich kleine Änderungen unter dem Deckmantel der »Vereinfachung« bereits die grundlegenden sozialen und ökologischen Schutzmaßnahmen Europas gefährdet. In ihrer Gesamtheit aber bergen diese Änderungen die Gefahr einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, der Zulassung gefährlicher Chemikalien in Kosmetika und der Verschmutzung von Luft und Wasser – wodurch die Menschen verstärkt Gefahren ausgesetzt werden.
In den kommenden digitalen Omnibussen will die Kommission Berichten zufolge im Rahmen der E-Privacy-Richtlinie die einzige klare Regel schwächen, die Unternehmen und Regierungen bislang daran hindert, ständig zu verfolgen, was Menschen auf ihren Geräten tun. (…)
Auch die kürzlich verabschiedeten Regelungen zur künstlichen Intelligenz sind in Gefahr, untergraben zu werden. Mit dem geplanten Omnibus würden einige der Schutzmaßnahmen abgeschafft, die eine sichere und diskriminierungsfreie Entwicklung der KI gewährleisten sollen. Und wichtige Bestandteile, etwa die Strafen für den Verkauf gefährlicher KI-Systeme, würden zumindest aufgeschoben.
Derzeit muss die Entwicklung von KI-Tools, die wichtige Entscheidungen (etwa den Zugang zu Sozialleistungen) beeinflussen könnten, in einer öffentlichen Datenbank registriert werden. Mit den vorgeschlagenen Änderungen könnten sich die Anbieter von KI-Tools jedoch einseitig und heimlich von allen Verpflichtungen befreien – ohne dass die Öffentlichkeit oder die Behörden davon erfahren würden.
Selbst der »Goldstandard« Datenschutzgrundverordnung, die zu den größten Errungenschaften Europas zählt, wird derzeit überarbeitet und ausgehöhlt – mit Änderungen, die es Unternehmen ermöglichen sollen, ihre Hausaufgaben selbst zu benoten. Dies würde eines der wenigen Gesetze irreversibel verändern, das tatsächlich allen Menschen – einschließlich Arbeitnehmern, Kindern und Menschen ohne Papiere – die Kontrolle über ihre sensiblen Daten gibt. (…)
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