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Aus: Ausgabe vom 22.12.2025, Seite 3 / Inland
Rotstiftpolitik in Brandenburg

Welche Folgen hat all das für Ihre Arbeit?

Brandenburgs Sozialministerium lässt Schutzeinrichtungen für Frauen in finanzieller Ungewissheit, sagt Laura Kapp
Interview: Gitta Düperthal
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Schild bei einer Kundgebung in Potsdam (7.3.2021)

Sie kritisieren Brandenburgs Sozialministerin Britta Müller vom BSW dafür, keine Förderung für zwei Projekte bis 2028 zugesagt zu haben: für die Koordinierungsstelle des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser, NbF, und die Kontaktstelle der zivilgesellschaftlichen Akteure zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, KIKO. Warum wäre das aber wichtig?

Gewaltschutz ist mehr als nur ein Tisch, ein Bett und eine Sozialarbeiterin, die hilft. Beide Stellen, in Trägerschaft der Brandenburgischen Frauenhäuser, entlasten die Schutzeinrichtungen, damit diese sich auf betroffene Frauen und ihre Kinder konzentrieren können. Öffentlichkeits-, Präventionsarbeit und politischer Kampf für strukturelle Veränderung rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen sind essentiell, um öffentliches Bewusstsein zu schaffen: In unserer Gesellschaft muss sich etwas ändern. Wir Koordinierungsstellen mit fünf Mitarbeiterinnen, davon zwei in Vollzeit, arbeiten daran, uns selber abzuschaffen.

Wie begründet die Ministerin, beide Projekte nicht mehr verlässlich zu finanzieren?

Wie immer: Mittel sind knapp, vor allem, wenn es um Frauenprojekte geht. Dabei hatte der Landtag im Juni einen Haushalt beschlossen, der auch das Geld für unsere Arbeit beinhaltet. Im offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke von der SPD kritisieren wir, dass sie uns dazu in den vergangenen zwei Monaten die Kommunikation verweigert hat. Aus verschiedenen Ecken wurde uns zugetragen, dass sie der Meinung war: Verpflichtungsermächtigungen, die im Rathaus für die Jahre 2027/2028 hinterlegt sind, dürften nicht für sogenannte freiwillige Leistungen verwendet werden. Das ist falsch. Sie insistierte, uns mit den zunächst nur für ein Jahr geförderten Familienverbänden gleichbehandeln zu wollen. Die aber meinen: Alle gleich schlecht zu behandeln, sei keine Lösung.

Selbst aus Ministeriumskreisen gibt es Kritik: In Deutschland ist die Istanbul-Konvention seit 2018 in Kraft, die Koordinierungsstellen sind im Gewalthilfegesetz erwähnt. Warum stellt sich die Ministerin dennoch quer?

Was in ihrem Kopf vorgeht, wissen wir nicht. Aber: Der eher technische Begriff »freiwillige Leistungen« im Haushaltsrecht ist irreführend. Als wäre es Luxus. Darüber werden essentielle Dinge auf kommunaler-, Landes- und Bundesebene finanziert. Die Istanbul-Konvention erfüllt zwar den Rang eines Bundesgesetzes, Brandenburg hat aber noch kein Ausführungsgesetz auf Landesebene. Ähnlich verhält es sich mit dem im Februar vom Bund beschlossenen Gewalthilfegesetz. Dort ist erst für Ende 2026 ein solches geplant.

Welche Folgen hat all das für Ihre Arbeit?

Brandenburg muss den Doppelhaushalt 2027/28 erst beschließen, im Fall einer Haushaltssperre fließt kein Geld. Den Fall hatten wir in diesem Jahr, als uns zum Glück ein Bescheid für drei Jahre absicherte. Weil unser Verein Gehälter auszahlen musste, gab es Stress. Wir wussten aber: Geld wird kommen. Das ist jetzt anders. Für 2027 könnten wir erst Oktober 2026 einen Antrag stellen, der im Fall eines gesperrten Haushalts nicht bearbeitet würde. Der Verein müsste dann Arbeits- und Mietverträge kündigen. Im Fall eines späteren Zuwendungsbescheids müssten wir bei null anfangen: Stellen ausschreiben, Leute einarbeiten, etc. Deshalb versuchten wir mehrfach, die Ministerin anzusprechen. Vergeblich! Nach Veröffentlichung unseres offenen Briefes an Woidke am Mittwoch kam dann zwei Stunden später eine Mail der Büroleiterin: mit einem Termin am 5. Februar.

Ist das nicht zu spät?

Für die dreijährige Absicherung schon. Am 8. Dezember erhielten wir die Zusage für 2026. Kolleginnen, die sich arbeitslos gemeldet hatten, wissen nun: Es geht weiter. All das kostet Energien. Seit 30 Jahren arbeiten wir an der Interessensvertretung für Frauen. Solidarisch vernetzt mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen wir feststellen: Unter dem Radar passiert ein Kahlschlag.

Laura Kapp ist Koordinatorin für Organisation und Finanzen der Koordinierungsstelle Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser in Potsdam

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