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Aus: Ausgabe vom 22.12.2025, Seite 4 / Inland
CDU

Schon wieder verzockt

Adenauer-Stiftung: Niederlage des Merz-Kandidaten gegen Kramp-Karrenbauer signalisiert innerparteiliche Schwächung des Bundeskanzlers
Von Kristian Stemmler
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Erster Platz verteidigt: Kramp-Karrenbauer mit Merz und Spahn 2018 bei einer Regionalkonferenz in Idar-Oberstein

Nur wenige Stunden, nachdem Bundeskanzler Friedrich Merz beim EU-Gipfel in Brüssel mit seinem durch Fanfaren angekündigten Vorhaben aufgelaufen war, eingefrorene russische Vermögen zur Finanzierung der Ukraine heranzuziehen, wartete in Berlin der nächste Tiefschlag auf ihn: Bei der Neubesetzung des Vorsitzes der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) fiel der erklärte Wunschkandidat des Kanzlers und CDU-Chefs durch.

In einer Kampfabstimmung – der ersten in der 70jährigen Geschichte der Stiftung – setzte sich bei der Mitgliederversammlung am Freitag nachmittag die frühere CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gegen den Bundestagsabgeordneten Günter Krings durch. Die ehemalige saarländische Ministerpräsidentin erhielt 28, Krings 21 Stimmen, es gab eine Enthaltung. Kramp-Karrenbauer, seinerzeit Angela Merkels Wunschkandidatin nach deren Rückzug vom Parteivorsitz, tritt ihr Amt am 1. Januar 2026 an.

Auch wenn hier der Widerstand gegen eine übermäßige Konzentration der Spitzenposten auf den Landesverband Nordrhein-Westfalen eine Rolle gespielt haben dürfte, muss das Ergebnis der Wahl – und eigentlich schon der Umstand, dass eine solche Kampfkandidatur überhaupt stattgefunden hat – als weiteres Indiz für eine inzwischen klar sichtbare innerparteiliche Schwächung von Merz interpretiert werden. Bemerkenswert ist zudem, dass Merz die Mehrheitsverhältnisse offensichtlich falsch eingeschätzt hat – sonst hätte er es ziemlich sicher vermieden, sich offen mit der Krings-Kandidatur zu identifizieren.

Das Ergebnis ist außerdem ein Beleg dafür, dass das alte Merkel-Lager weiterhin Einfluss in der Partei hat. Kramp-Karrenbauer galt als Vertraute Merkels, zu deren Antipoden sich Merz in der CDU aufgebaut hatte. Im Dezember 2018 kandidierte Kramp-Karrenbauer auf einem Bundesparteitag für die Nachfolge von Merkel als Parteichefin gegen Merz und Jens Spahn, heute Unionsfraktionschef. In der Stichwahl schlug Merz sie knapp.

Die Niederlage von Krings, Fraktionsvize im Bundestag und Vorsitzender der einflussreichen CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, ist auch eine Schlappe für das Umfeld von Merz, das sich für seine Wahl starkgemacht hatte. Im September hatte der bisherige Stiftungsvorsitzende, der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert, erklärt, nach acht Jahren Amtszeit nicht erneut kandidieren zu wollen. Daraufhin sprach Merz sich Mitte November in einem Brief an Lammert für Krings als Vorsitzenden aus. Der Jurist verfüge national und international über »umfangreiche Erfahrungen in vielen Bereichen der Politik und der Wissenschaft«, schrieb er laut dpa.

In den Wochen vor der Abstimmung stellten sich auch Spahn und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann – beide ebenso wie Merz aus Nordrhein-Westfalen – hinter Krings. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete, habe das Merz-Lager mit Telefonaten und persönlichen Gesprächen für den Kandidaten Krings geworben. Bei der Mitgliederversammlung, die weitgehend aus ehemaligen und aktuellen CDU-Granden besteht, sind dem Vernehmen nach nur etwa 50 Personen wahlberechtigt gewesen, etwa der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und die Chefin des Verbandes der Automobilindustrie und frühere Merkel-Vertraute Hildegard Müller. Lammert wurde zum Ehrenvorsitzenden der Stiftung gewählt.

Stolpereinlagen bei Abstimmungen sind inzwischen die Norm für Merz. Im Mai musste er bei der Wahl zum Bundeskanzler in einen zweiten Wahlgang, der nur deshalb noch am selben Tag stattfinden konnte, weil die Linkspartei mithalf. Im Juli konnte Merz seine Zusage, dass seine Fraktion bei der Wahl der Verfassungsrichter für die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf stimmen würde, nicht einhalten. Zuletzt konnte Anfang Dezember nur knapp verhindert werden, dass Abweichler in der Unionsfraktion das Rentenpaket der Regierungskoalition zu Fall bringen.

Merz machte am Freitag abend wie üblich gute Miene zu dem Fiasko und gratulierte Kramp-Karrenbauer auf X: »Die Stiftung ist bei Dir in guten Händen. Ich wünsche Dir viel Erfolg. Auf weiter gute Zusammenarbeit!« In den ARD-Tagesthemen kommentierte der Kanzler die Wahl am selben Abend mit den Worten: »Wir leben in einer Demokratie und nicht in einer Diktatur.« Man müsse Kompromisse machen und auch akzeptieren, »dass in demokratischen Gremien anders entschieden wird als vielleicht der Vorsitzende es will«. Das sei normal. Kramp-Karrenbauer werde die Adenauer-Stiftung gut führen.

Der Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung ist für das politische Tagesgeschäft nicht von Gewicht. Von Bedeutung für die Richtung der innerparteilichen Debatten ist er aber. Die Adenauer-Stiftung verfügt über rund 1.500 Mitarbeiter. Die Stiftung trägt den Namen des ersten westdeutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte. Nach eigenen Angaben hat die Stiftung mit Sitz in Berlin und Sankt Augustin bei Bonn 95 Auslandsbüros, mit denen sie »Projekte« in über 100 Ländern betreut.

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