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Aus: Ausgabe vom 15.12.2025, Seite 3 / Inland
Einschränkung Pressefreiheit

Warum wurden Pressevertreter nicht vorgelassen?

Schon in der Vergangenheit behinderte die hessische Polizei die Pressefreiheit, sagt Knud Zilian
Interview: Gitta Düperthal
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Bei den Demonstrationen in Gießen gegen die Neugründung der AfD-Jugend am 29. November behinderten Polizisten Journalisten bei der Arbeit. Welche Probleme sind Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt?

Journalistinnen und Journalisten hatten sich an uns gewandt, weil Polizeikräfte sie an der Durchfahrt zu den Hessenhallen hinderten, wo sich die AfD-Jugend an dem Tag gründen wollte. Und zwar trotz des Vorzeigens von Presseausweisen, die wir als Deutscher Journalistenverband, DJV, an hauptamtlich Tätige ausgeben. Nachdem wir in unserem Verband rückgefragt hatten, erfuhren wir, dass es keine Einzelfälle waren. Betroffen waren etwa eine Kollegin vom ZDF sowie Pressevertreterinnen und -vertreter von der Taz und dem Evangelischen Pressedienst, kurz EPD. Auch weitere Organisationen meldeten sich mit Beschwerden, darunter freie Radiosender.

Was wurde Ihnen berichtet?

Ohne Angabe von Gründen habe die Polizei gesagt, es sei keine Durchfahrt möglich. Selbst die Kollegin vom ZDF mit ihrem Kamerateam wurde nicht durchgelassen. Dabei ging es nicht um eine laufende Polizeiaktion, bei der etwa Gefahr für Leib und Leben für Journalistinnen und Journalisten hätte bestehen können. Deshalb haben wir beim Innenministerium interveniert.

Hatte Ihnen der hessische Innenminister Roman Poseck, CDU, daraufhin das Gespräch angeboten?

Ja. Er rief an und beteuerte, dass auch für ihn Pressefreiheit von hohem Wert sei. Wir haben uns dann für den 15. Januar 2026 zum Gespräch verabredet. Damit er aus erster Hand erfährt, wie Kolleginnen dort an der Berichterstattung gehindert wurden, nehmen wir zwei Betroffene mit. Ziel ist, aufzuklären, wie es in der Polizeiarbeit überhaupt dazu kommen kann.

Was muss sich nun in der Polizeiarbeit ändern, damit freie journalistische Arbeit ermöglicht wird?

Als Gewerkschaft und Berufsverband muss der DJV Hessen freie Pressearbeit sicherstellen. Wir wären bereit, als Journalistenverband gemeinsam mit der Polizeiführung bei Aus- und Weiterbildung mitzuwirken. Um ein besseres Verständnis der Polizei zu erreichen, damit solche Aktionen künftig nicht mehr passieren, wollen wir die Arbeitsweise der Presse erläutern.

Der DJV als Interessenvertretung äußert dies nicht zum ersten Mal, oder?

Ja, auch in der Vergangenheit hatten wir dem hessischen Innenministerium gegenüber Probleme durch Polizeiarbeit geäußert. Wir hoffen, dass wir jetzt konkret etwas bewirken können.

Kritiker meinen, dass sowohl zunehmende Polizeigewalt als auch das Behindern der Pressearbeit damit zusammenhängen könnten, dass die hessische Polizei von rechten Netzwerken durchsetzt ist. Wie sehen Sie das?

Bekanntermaßen mussten wir schon aufgrund von anderen Fällen bei der Frankfurter Polizei erleben, dass dort die Staatsanwaltschaft aus diesem Grund ermitteln musste. Auszuschließen ist so etwas nie. Erst einmal gehen wir davon aus, dass die Polizei unerfahren und uninformiert darüber ist, wie Pressearbeit funktioniert, und deshalb falsche Entscheidungen trifft.

Sollten aber rechte Netzwerke tatsächlich eine Rolle spielen – was dann?

Dann müsste die Polizeiführung dem nachgehen.

Wenn die Polizei eigene Angelegenheiten untersucht, ist kaum Objektivität zu erwarten. Sollte dies nicht besser unabhängig geprüft werden – zumal möglicherweise der politische Wille dazu fehlt?

Eine interessante These! Wir wollen jetzt aber erst im Gespräch mit dem Innenminister der Frage nachgehen, wie die Pressefreiheit grundsätzlich hochzuhalten ist.

Eben die Frankfurter Polizei, der der Ruf anhängt, von rechten Netzwerken durchsetzt zu sein, erweist sich als interessiert daran, Daten von Journalisten zu speichern. Ein Polizist fotografierte 2024 meinen Presseausweis, entgegen meinem Protest. Er wies auf Aktivisten hin, mit denen ich im Gespräch war, und sagte: »Sie sind auch eine von denen.« Auf meinen späteren Antrag hin, die Daten offiziell zu löschen, hieß es: Es lägen keine vor. Auch kein Einzelfall – ist man da rechtlos?

Diese Frage der Datenspeicherung durch Polizisten werde ich ins Gespräch mit dem Innenminister mitnehmen.

Knud Zilian ist erster Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands, DJV, in Hessen

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