Gegründet 1947 Dienstag, 9. Dezember 2025, Nr. 286
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 09.12.2025, Seite 3 / Ansichten

Al-Dscholanis Rückkehr

Ein Jahr nach dem Sturz von Assad
Von Nick Brauns
imago842367142.jpg

Als der syrische Präsident Baschar Al-Assad vor einem Jahr angesichts einer vom Ausland unterstützten dschihadistischen Blitzoffensive nach Russland floh, trauerten wohl nur die engsten Begünstigten des alten Regimes der nach sechs Jahrzehnten beendeten Baath-Herrschaft nach.

Den Zusammenbruch der syrischen Armee allein mit Verrat zu erklären, greift zu kurz. Nach fast 14 Jahren des vom Westen, von der Türkei, arabischen Staaten sowie Israel mit Söldnern, Waffen und Luftangriffen befeuerten Bürgerkrieges und einem dem Land auferlegten Embargo war der Rückhalt der Führung in Damaskus an einem Tiefpunkt angelangt. Assad stützte sich zuletzt auf schiitische Milizen und iranische Militärberater – ein sektiererisches Projekt in den Augen der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit, aus der sich die Masse der Soldaten rekrutierte.

Die vor einem Jahr an die Macht gekommenen Dschihadisten haben seitdem Tausende Alawiten und Drusen massakriert. Dass ausgerechnet der von seinen Warlords zum Übergangspräsidenten ausgerufene frühere Al-Qaida-Führer Abu Mohammed Al-Dscholani, der sich nun im Anzug wieder bürgerlich Ahmed Al-Scharaa nennt, Syrien zur inklusiven Demokratie führen würde, glaubte wohl niemand ernsthaft. Die ihm von seinen ausländischen Förderern zugedachte Aufgabe bestand vielmehr darin, iranischen Einfluss zu beseitigen und zum Landraub Israels in Südsyrien zu schweigen. Mit einem zentralistischen Staatsaufbau, der den Realitäten des levantinischen Bevölkerungsmosaiks widerspricht, erscheint das neue Syrien als islamistische Kopie des gestürzten säkularen Polizeistaates.

Aus einem im März unter US-Vermittlung zwischen dem starken Mann der nord- und ostsyrischen Autonomieregion, General Mazlum Abdi, und Al-Scharaa geschlossenen Abkommen über die Integration der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) in die neue Armee folgten bislang keine praktischen Schritte. Was wie die Quadratur des Kreises erschien – die Vereinigung der linksorientierten kurdischen Verbände einschließlich Frauenarmee mit dschihadistischen Kopfabschneiderbanden – erweist sich so als beidseitiges Spiel auf Zeit. Während Al-Scharaa danach trachtet, nach Stabilisierung seiner Herrschaft die Autonomieregion mit ihren Ölfeldern militärisch zu unterwerfen, dürfte der SDF-General umgekehrt darauf setzen, bei einem möglichen Zusammenbruch der Islamistenherrschaft in Damaskus seinerseits von Washington den Zuschlag zum Nationbuilding zu erhalten.

Als Al-Scharaa am Montag in Damaskus sein Morgengebet verrichtete und anschließend eine Militärparade zur Feier seiner einjährigen Machtergreifung abnahm, trug er erstmals wieder den olivgrünen Kampfanzug. Die Botschaft ist klar: Al-Dscholani ist zurück. Dass Minderheiten wie Drusen und Kurden so geradezu in die Arme Israels und der USA getrieben werden, dürfte dem syrischen Präsidenten dort als Pluspunkt angerechnet werden.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Chance ergriffen: Dank des syrischen »Übergangspräsidenten« Ahme...
    08.02.2025

    Alle Finger im Spiel

    Der Machtwechsel in Damaskus wirbelt die politischen Verhältnisse der Region durcheinander. Vor allem Saudi-Arabien und Türkei nehmen Einfluss
  • Lichtstreif am patriarchalen Horizont? Das kurdisch dominierte P...
    23.01.2025

    Ein Land für alle?

    Während die Türkei und Israel Teile des Landes besetzt halten, ist mehr als fraglich, ob die Islamisten ihre demokratischen Versprechen einhalten. Syrien – gestern und heute (Teil 2 und Schluss)
  • Trümmer auf dem internationalen Flughafen von Kamischli nach isr...
    11.12.2024

    Bombenhagel auf Syrien

    Hunderte israelische Luftangriffe auf Militäreinrichtungen. Türkische Söldner erobern Manbidsch und marschieren auf Kobani zu.

Mehr aus: Ansichten