Welche unterschiedlichen Positionen gibt es in der Partei?
Interview: Nico Popp
Am Wochenende findet in Magdeburg der Bundesparteitag des BSW statt. Nicht erst die jüngsten innerparteilichen Auseinandersetzungen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt scheinen zu signalisieren, dass dort kontroverser als bei früheren Gelegenheiten über das Profil der Partei diskutiert werden wird. Rechnen Sie auch damit?
Ja. Es wird sicherlich mehr diskutiert werden als bei den vorangegangenen Parteitagen. Wir stehen erstmals nicht mehr unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Wahlen und die Gründungsphase liegt hinter uns. Es ist auch erforderlich, dass diese Diskussionen stattfinden, weil es bei einer Reihe von Fragen durchaus unterschiedliche Positionen innerhalb des BSW gibt.
Welche sind das?
Beispielsweise das Thema der Regierungsbeteiligungen. Es gab in Thüringen und Brandenburg die Situation, dass das BSW sehr schnell und ohne wirklich vorbereitet zu sein in eine Regierung reingegangen ist, weil andernfalls ohne und gegen die AfD keine Mehrheit zustande gekommen wäre. Das hat der Partei letztlich mehr geschadet als genutzt. Inzwischen dürfte die überwiegende Auffassung sein, dass man nicht in eine Koalition geht, deren gemeinsamer Nenner vor allem ist, die AfD rauszuhalten. Zugleich ist klar, dass die AfD ein politischer Gegner ist, mit dem sich hart auseinandergesetzt und der geschwächt werden muss, und Koalitionen mit ihr überhaupt nicht in Frage kommen. Unterschiedliche Sichtweisen gibt es auch in der Migrationspolitik. Ich plädiere dafür, hier nicht in eine Art Konkurrenzverhältnis zur AfD zu treten. Rechtsstaatlichkeit und Humanismus müssen gewahrt werden. Eine weitere wichtige Differenz zeichnet sich in der Frage ab, wie sich das BSW gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitisch aufstellen soll: als Partei, die sich vor allem auf die arbeitenden Menschen und ihre Familien orientiert, oder als Partei, die stark betont, dass sie auch die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmern vertreten will. Einige beklagen, dass die Partei nicht unternehmerfreundlich genug sei. Ich meine aber, und höre viel häufiger Stimmen, die sich wünschen, dass das soziale Profil des BSW geschärft wird.
Wie schätzen Sie die Lage der Partei ein? Die Hoffnung, über eine Neuauszählung noch in den Bundestag zu kommen, könnte bald gegenstandslos sein.
Das wird letztlich wohl erst das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Aber es ist natürlich eine erhebliche Schwächung, nicht im Bundestag vertreten zu sein. Auch materiell, denn die Partei beschäftigt sehr wenige hauptamtliche Kräfte und arbeitet laufend an der Kapazitätsgrenze. Das Problem wird verschärft durch die insgesamt schwache Präsenz in der Fläche, weil man am Anfang sehr selektiv Mitglieder aufgenommen hat. Dafür gab es Gründe, aber in der Rückschau ist mein Eindruck, dass man es dabei übertrieben hat. Die Unterstützer wurden nicht genug in die Arbeit eingebunden. Teilweise gab es eine Herangehensweise, die Aktivitäten fast schon unterbunden hat. Das hat zu Enttäuschungen geführt. Und offensichtlich spielte bei der Frage, wen man denn nun hereinnimmt, nicht immer die entscheidende Rolle, ob die Kandidaten eine solide politische Motivation hatten.
Der Anteil von Unternehmern und Professoren in Parteifunktionen schien von Anfang an deutlich über dem Anteil dieser Milieus an der potentiellen Wählerschaft zu liegen.
Darauf wurde offenbar ein gewisser Wert gelegt. Aber das hat sich aus meiner Sicht nicht bewährt. Ein Problem ist, dass nicht verstanden wurde, dass die Kompetenz, ein Unternehmen zu führen, etwas völlig anderes ist als die Kompetenz, eine Parteigliederung zu leiten, oder auch als wirtschaftspolitische Kompetenz.
Kürzlich hat sich die AGBSW – Arbeit und Gewerkschaft beim BSW – gegründet. Ein Versuch, das Profil der Partei zu entwickeln?
Die AGBSW hat derzeit 270 Mitglieder und wächst stetig. Darunter sind Vertrauensleute, Betriebsräte, haupt- und ehrenamtliche Gewerkschaftsfunktionäre. Wir haben über 500 weitere Kontakte. Ziel ist, die Stimme der Beschäftigten in der Partei zu stärken und gleichzeitig nach außen und in die Gewerkschaften hineinzuwirken, um da vor allem die Verbindung zwischen dem Kampf gegen Hochrüstung und Krieg und dem Kampf gegen die Demontage des Sozialstaats herzustellen. Hier insbesondere hat das BSW auch gegenüber der Linkspartei ein Alleinstellungsmerkmal und jede Menge Platz, um sich als »glaubwürdige Arbeiterpartei« – wie Fabio De Masi das beim Berliner Landesparteitag genannt hat – zu profilieren.
Ralf Krämer ist Gewerkschaftssekretär und kandidiert auf Vorschlag der AGBSW beim BSW-Bundesparteitag als Beisitzer für den Vorstand
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