Pr-Pr
Von Arnold Schölzel
Im Interview mit der Berliner Zeitung vom Freitag sagt der Mobilitätsforscher Andreas Knie: »Autonomes Fahren wird kommen. Fahrzeuge, die keinen Fahrer mehr brauchen, sind auch für den öffentlichen Verkehr der Game Changer. Aber ich sage es ganz brutal: Um dieses wichtige Thema sollten sich diejenigen kümmern, die es können. Ich war 16 Jahre in dieser Branche tätig und musste erkennen, dass große öffentliche Unternehmen wie die BVG oder die Deutsche Bahn es nicht können.« Es fehle an unternehmerischem Denken, »sie können keine Innovationen«. Chinesische und US-Unternehmen dächten darüber nach, Berlin als ein Schaufenster zu nutzen, »um zu zeigen, was möglich wäre«.
Zu den Mobilitätsredakteuren der FAZ hat sich das noch nicht herumgesprochen. Sie berichten am Freitag, dass sie die Schuldigen für die neuerliche Verzögerung bei »Stuttgart 21« gefunden haben. Als Bauherrin trage zwar die Deutsche Bahn die Verantwortung, zuletzt sei aber unter anderem »der Technologiekonzern Hitachi Rail in die Kritik geraten«. In Japan könne Hitachi »in Sachen Bahn auf eine stolze Historie« verweisen: »Die legendären Shinkansen sind branchenweit in Sachen Geschwindigkeit, Sicherheit und Service der Goldstandard.« Zum Blechstandard deutscher Qualitätsmedien gehört es, nicht zu erwähnen, dass Hitachi auch bei der Digitalisierung des Hochgeschwindigkeitsnetzes der chinesischen Bahn (48.000 Kilometer) mit dabei war. Das erleichtert es ungemein, zu »erklären«, warum es an dem einen deutschen Bahnhof nicht vorangeht: »Pilotvorhaben«, »schwierige Planungen und vielschichtige Prozesse« etc. Übersetzt: Die Schwierigkeiten kommen von den Schwierigkeiten. Die Phrase »Komplexität« fehlt selbstverständlich nicht: »Die Komplexität der diversen Erstanwendungen ist schwer einzuschätzen, und das hat in der Regel weitreichende Folgen.« So ist das eben, wenn Zweit- und Drittanwendungen mit der ersten verwechselt werden. Aber die FAZ-Ignoranten haben starke Verbündete. Am Donnerstag abend zitiert der Spiegel den Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen): »Das ist eine Geschichte des Unvermögens von Hitachi, aber auch der Deutschen Bahn.«
Und der Spiegel weiß: »Seit langem warnen Vertreter der Bahnbranche, dass es zuwenig Planungs- und Abnahmeprüfer gebe, ohne die Projekte weder gestartet noch vollendet werden können.« Zu deren Bereitstellung habe sich Hitachi, so ein Sprecher von »Stuttgart 21«, bei Vertragsabschluss 2020 verpflichtet. Da fällt dem Spiegel immerhin nach Zitieren des Sprechers noch ein, dass Hitachi überhaupt erst 2024 in das Vorhaben einstieg, als es die seit 2020 zuständige Sparte des französischen Thales-Konzerns übernahm.
Versteht sich, dass auch der Spiegel die China-Erfahrung Hitachis nicht erwähnt. Ein Blick in den gedruckten Spiegel erklärt, warum. Der in Stanford lehrende Ökonom und Philosoph Dan Wang sagt dort im Interview über China: »Wir haben es mit einem hocheffizienten Ingenieurstaat zu tun, der einen großen Teil des chinesischen Erfolgs ausmacht, auch des politischen Erfolgs der Kommunistischen Partei. Die Menschen haben wirklich das Gefühl, dass ihr Leben in vielerlei Hinsicht immer besser wird. Denken Sie zum Beispiel an die 26-Millionen-Metropole Shanghai. Dort werden allein in diesem Jahr 120 Parks gebaut. Vor 40 Jahren gab es in Shanghai keine U-Bahn, heute brauchen Sie an kaum einer Ecke der Stadt länger als ein paar Minuten zur nächsten Metrostation. Shanghai hat das längste U-Bahn-Netz der Welt.« Spiegel: »Das sind Prestigeprojekte.«
Immerhin klappt es mit der Pr-Pr-Alliteration. Was Neues fällt Bahn, FAZ oder Spiegel auf keinen Fall ein. Innovation kennen sie nicht.
»Vor 40 Jahren gab es in Shanghai keine U-Bahn, heute brauchen Sie an kaum einer Ecke der Stadt länger als ein paar Minuten zur nächsten Metrostation. Shanghai hat das längste U-Bahn-Netz der Welt.« Spiegel: »Das sind Prestigeprojekte.«
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