Wie reagieren Dozentinnen und Dozenten sonst darauf?
Am 12. November kam es an der Universität Leipzig zu einem Zwischenfall mit dem Professor Roger Berger im Anschluss an eine Vorlesungsintervention von Studierenden. Das Bündnis »Widersetzen« hatte zum Protest gegen die Neugründung der AfD-Jugendorganisation in Gießen am 29. November aufgerufen. Was ist da passiert?
Ich beziehe mich auf Gedächtnisprotokolle betroffener Studierender. Als eine Person Bergers Soziologievorlesung unterbrach, um Mitstudierenden mitzuteilen, dass sie nun besagte Intervention durchführe, warf der Professor ein, sie habe sich an das Neutralitätsgebot der Universität zu halten. Sie aber wollte weiterhin zur Neugründung der AfD-Jugend informieren. Was der Professor lautstark versuchte zu unterbinden. Obgleich sie sich nun bereits zum Ausgang bewegte, kam er hinterher, fasste sie am Arm, schubste sie, so dass sie zu Boden fiel. Andere Studierende mischten sich solidarisch ein, um Berger auf Abstand zu bringen.
Welche Reaktionen gab es im nachhinein?
Der Fachschaftsrat hatte den Studierenden ein Forum geboten, um zu solchen Vorgängen ihre Erfahrungen auszutauschen – außerdem Tutorien, um den Inhalt der Vorlesung weiter aufzuarbeiten, ohne an der Lehrveranstaltung teilnehmen zu müssen. Die wurde schließlich auf andere Dozierende übertragen.
War dieser Hochschullehrer schon zuvor auf diese Weise aufgefallen?
Mir liegen Berichte vor, dass er ein weiteres Mal auffällig geworden ist. Er hatte ein Plakat mit palästinasolidarischem Inhalt abgerissen und demoliert, wonach es ebenso zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Studierenden gekommen sein soll. Wir erwägen zusammen mit dem Fachschaftsrat, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu stellen. Das Rektorat hatte zu all dem eine Videobotschaft verbreitet, die wir als erstaunlich inhaltslos werten. Verschiedene Fälle aus der Vergangenheit wurden zusammengefasst. Es hieß, die Universitätsleitung halte weiterhin an ihren Werten der Gewaltfreiheit fest.
Vorlesungsinterventionen sind ein probates Mittel, um der Studierendenschaft Zugang zu Informationen zu verschaffen, sagen Sie. Wie reagieren Dozentinnen und Dozenten üblicherweise darauf?
Das Bündnis »Widersetzen« und die »Studis gegen rechts« hatten bislang schon so agiert. Mir ist nicht zu Ohren gekommen, dass es irgendwann derart gewaltsame Reaktionen gab.
Der Professor wiederholte in einer Stellungnahme auf der Website des Instituts für Soziologie, dass er die Intervention nicht habe zulassen wollen, weil die Universität »politisch neutral« sei.
Ich kann den Begriff »politische Neutralität« nicht mehr hören. So kann demokratieförderndes Verhalten nicht stattfinden. Universitäten waren schon immer Orte der kritischen Debatte und Kultur. Faschistische Strukturen stellen eine große Gefahr dar: auch hinsichtlich der Werte, die das Rektorat hochhalten will, wie Inklusion, Toleranz oder offener Diskurs.
Ihm sei es nicht »um eine inhaltliche Ablehnung von Aktivitäten gegen rechtsextremes Gedankengut« gegangen, argumentiert Berger. Es sei »schlicht der falsche Zeitpunkt und der falsche Ort für einen Demoaufruf« gewesen. Ist das glaubwürdig?
Ich kenne ihn nicht näher, empfinde dies aber als Versuch, sich nicht positionieren zu müssen, wenn es darum geht, antifaschistische Arbeit an den Universitäten zu leisten.
Gibt es noch andere ähnliche Probleme mit Lehrpersonal?
Vor wenigen Tagen erst hat der Leipziger Juraprofessor Tim Drygala ein Bild eines an einer Kühlschranktür befestigten Porträts der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek auf X gepostet. Dazu schrieb er: Weil die Tür schlecht schließe, diene Reichinneks Porträt als Erinnerung, dass »man immer mit der Faust dagegenschlagen« müsse, »damit sie richtig zu ist«.
Verbreiten sich derartige Vorfälle an Universitäten in der Bundesrepublik?
Wir befinden uns in der Bundesrepublik unter wachsendem Rechtsdruck. Die AfD in Sachsen könnte in Regierungsbeteiligung kommen. Die universitären Gremien müssen ihre politische Verantwortung ernst nehmen.
Alaska Krakor ist aktiv im Referat für Hochschulpolitik des »Student*innenRats« (StuRa) der Universität Leipzig
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