Triumph der Erdgaslobby
Von Niki Uhlmann
Die Atmosphäre ist schlecht. Einerseits ist zu viel CO2 in der Luft, andererseits scheinen Regierende dagegen machtlos. Mit der Zustimmung des Bundesrats zur Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) am vergangenen Freitag wird die Atmosphäre eher schlechter als besser. Künftig darf das in Mengen klimaschädliche Gas für kommerzielle Zwecke abgeschieden und unter dem Meeresboden gespeichert werden (CSS, Carbon Capture and Storage). Vor den Risiken dieser Technologie für die Natur und ihrer aufschiebenden Wirkung auf die Dekarbonisierung warnen Umweltschutzverbände allerdings schon seit Jahren.
Dem Klima zuliebe?
So ganz überzeugt ist offenbar nicht mal die Bundesregierung: Das KSpG »kann für die Abkehr von fossilen Brennstoffen in sehr energieintensiven Industrien eine wichtige technologische Möglichkeit sein«, feierte sie die Entscheidung gleichentags auf ihrer Webseite eher verhalten. Manche Treibhausgase wären einfach nicht zu vermeiden, etwa in der Zementindustrie oder in der Abfallverbrennung. »Unverzichtbar« sei folglich die Kohlenstoffspeicherung, »um auch diesen Branchen klimaneutrales und wettbewerbsfähiges Wirtschaften« zu ermöglichen, legte man implizit die Profiteure des neuen Rechts offen. Da die BRD sich verpflichtet habe, »bis 2045 klimaneutral zu werden«, und »da der Aufbau von Transport- und Speicherinfrastrukturen zwischen sieben und zehn Jahre dauern kann«, müsse nun alles ganz schnell gehen.
Was dafür alles nötig ist, hat dpa recherchiert. Zwar könne CO2 mit Zügen, Lkw und Schiffen transportiert werden. Das sei aber nicht besonders effizient. Und es geht ja ums Klima. Also sollen Leitungen her, bei deren Bau der Privatwirtschaft satte Fördermittel winken dürften. Sechs Milliarden Euro hatte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) – zufällig auch ehemalige Leiterin des Energieinfrastrukturdienstleisters Westenergie – im Oktober allein für 2026 in Aussicht gestellt. Weitere Töpfe stünden in der EU bereit. Rund ein Dutzend Konzerne hat laut dem Verband Gas- und Wasserstoffwirtschaft bereits Interesse angemeldet. Das Bundeswirtschaftsministerium, so dpa weiter, habe angegeben, keine CO2-Speicher zu planen oder zu betreiben. Gefragt ist also auch hier wieder privates Kapital. Dessen Vertreter – wie der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie – weisen bereits darauf hin, dass die Infrastruktur in sieben bis zehn Jahren nur aufgebaut werden könne, wenn sich das für die Investoren lohnt. Dafür wird Reiche schon sorgen.
Dem Kapital zuliebe!
»Die Erdgaslobby hat einen folgenschweren Sieg eingefahren«, kommentierte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das neue KSpG. CSS sei ein »Etikettenschwindel, mit dem die Klimakrise weiter angeheizt wird«. Tatsächlich bezweckt die Technologie das genaue Gegenteil des ausgegebenen Ziels: »Unter dem Deckmantel der Klimaneutralität könnten fossile Konzerne ihr Geschäftsmodell bald sogar noch ausweiten«, heißt es in einer Resolution, die BUND am Vortag der Entscheidung verabschiedete. Je schmutziger gewirtschaftet und je mehr Kohlendioxid emittiert werde, »desto lukrativer und attraktiver das System«. Derweil gingen »Anreize, innovative Technologien und Alternativen zur Vermeidung von Emissionen auszubauen, verloren«. Hier wies Bandt ergänzend darauf hin, dass die Gasdeponien »Trinkwasserressourcen gefährden und ganze Regionen belasten könnten«, da die Sicherheit der Speicher über Jahrhunderte hinweg kaum zu garantieren sei.
Schon im Oktober hatten mehr als 100 Organisationen, Gemeinden und Konzerne die Regierung aufgefordert, die KSpG-Novelle nicht voranzutreiben. Auch sie kritisierten in ihrem offenen Brief, dass Milliarden an Steuermitteln für das Verschleppen des Ausstiegs aus fossiler Energie aufgewendet werden sollen. Ferner wurde moniert, dass mit der Londoner Konvention, »ein Meeresschutzübereinkommen, welches die Ausfuhr von Abfällen verbietet«, aufgeweicht werde und dass »Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte der Bevölkerung beschnitten« werden sollen. Der Weltklimarat halte CCS demnach »für den teuersten Versuch, den CO2-Ausstoß zu reduzieren« und bezweifle dessen Wirksamkeit. Wenn das KSpG die Lösung sein soll, darf man sich folglich das Problem zurückwünschen.
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