Welche Gefahren drohen durch die Bohrungen?
Interview: Kristian Stemmler
Mit einem 4,5 Meter hohen aufblasbaren Bohrturm haben Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace am 17. November vor dem niedersächsischen Umweltministerium in Hannover und eine Woche zuvor vor der Hamburger Umweltbehörde demonstriert. Wogegen richtet sich Ihr Protest?
Wir protestieren gegen Gasbohrungen in der Nordsee. Dabei geht es aktuell vor allem um ein Gasfeld mit der Bezeichnung N05-A, das etwa 20 Kilometer vor der Nordseeinsel Borkum in unmittelbarer Nähe zum UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer liegt. Die Bohrung findet 500 Meter von der Grenze zu Deutschland auf niederländischem Gebiet statt, soll aber durch Horizontalbohrungen auch in deutsches Gebiet hineinreichen.
Für diese Bohrung liegt schon eine Genehmigung vom niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie vor.
Das Vorhaben ist von den Behörden genehmigt, sowohl auf niederländischer als auch auf deutscher Seite. Aber gegen die Genehmigungen sind noch Klagen von Deutscher Umwelthilfe, der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland und der Stadt Borkum anhängig. Und da es sich um ein grenzübergreifendes Gasvorkommen handelt, braucht es einen bilateralen Vertrag, ein Gasabkommen zwischen den Niederlanden und Deutschland. Dieses Abkommen nennt sich Unitarisierungsabkommen. Das hat die Bundesregierung auch schon unterzeichnet. Ratifiziert – also rechtsgültig – ist es aber noch nicht. Und genau da setzen wir an. Das Ganze wird in deutsches Recht umgesetzt durch ein sogenanntes Vertragsgesetz. Diesem Gesetz muss nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat zustimmen.
Union und SPD stehen also hinter dem Vorhaben?
Genau. Der SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, Olaf Lies, der zuvor Wirtschaftsminister war, will diese Gasbohrung unbedingt. Ebenso die SPD auf Bundesebene und die CDU sowieso: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ist eine ausgewiesene Gasfreundin. Wir setzen daher auf Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Sie haben die Möglichkeit, die grenzübergreifende Gasbohrung im Bundesrat noch zu stoppen. Es gibt sieben Bundesländer, in denen die Grünen mitregieren. Wenn man dann noch Mecklenburg-Vorpommern, wo Die Linke mitregiert, dazuzählt, dann können diese Länder das Gesetz im Bundesrat zu Fall bringen.
Welche Gefahren drohen durch die Gasbohrungen?
Die Nordsee ist ein ganz sensibles Ökosystem. Wir von Greenpeace haben in der Umgebung der Bohrstelle getaucht und haben wunderschöne Unterwasserwelten gefunden, zum Beispiel Steinriffe, die eine außergewöhnliche Artenvielfalt aufweisen und aus unserer Sicht als schützenswert einzustufen sind. Diese sind von der Gasbohrung ganz unmittelbar bedroht, durch die Erschütterungen und Sedimentaufwirbelungen beim Bohrvorgang, aber auch durch die Schadstoffe, die während der Gasförderung ins Meer gelassen werden. Dann gibt es dort in der Nähe einen der Hotspots der Nordsee, wo Schweinswale ihren Nachwuchs aufziehen. Die Tiere sind sehr sensibel, was Lärm angeht. Der Lärm, der von der Bohrung ausgeht, beeinträchtigt sie und wird die Population weiter reduzieren. Gasbohrungen können zudem auch immer Erdbeben auslösen.
Nicht nur die Verbrennung, sondern auch die Förderung von Erdgas gefährdet das Klima, richtig?
Ja. Beim Bohr- und Förderprozess kommt es immer zu Leckagen. Dann wird Methan frei, der Hauptbestandteil von Erdgas. Methan ist mehr als achtzigmal so klimawirksam wie Kohlendioxid und treibt die Erderhitzung weiter voran. Jedes neue Gasprojekt kettet uns für Jahre und Jahrzehnte an die fossilen Energien, von denen wir uns ja eigentlich befreien wollen. Zudem ist es auch so, dass der niederländische Gaskonzern ONE-Dyas, der das Projekt betreibt, ganz klar sagt: Das ist erst der Anfang, die erste Bohrung von vielen. Wenn dieses Abkommen jetzt so in Kraft tritt, dann ist das ein Freifahrtschein nicht nur für dieses eine, sondern für weitere Gasbohrprojekte, für eine Vielzahl von Projekten in diesem niederländisch-deutschen Grenzgebiet. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Anike Peters ist Energieexpertin bei Greenpeace
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