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Aus: Ausgabe vom 15.11.2025, Seite 2 / Inland
Akademische Kooperation mit Israel

Ist die Universität Leipzig am Genozid in Gaza beteiligt?

Wenn man mit Institutionen auf besetztem Land zusammenarbeitet, macht man sich mitschuldig, sagt Carmen D.
Interview: Yaro Allisat
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Sie haben einen Bericht über die Zusammenarbeit der Universität Leipzig mit israelischen Institutionen veröffentlicht. Was konnten Sie herausfinden?

Die Uni Leipzig unterhält Studierendenaustauschprogramme mit der Hebräischen Universität in Jerusalem und der Ben-Gurion-Universität in Naqab. Direkte und indirekte Forschungszusammenarbeiten bestehen zum Teil auch über das Max-Planck-Institut und über die Forschungsplattform »Horizon« der EU.

Unis in Israel sind in das politische System der Besatzung Palästinas und den Genozid in Gaza eingebunden. Deshalb fordern wir die Uni auf, ihrer Verpflichtung nachzukommen, Menschenrechte zu schützen, Kooperationen auszusetzen oder zu prüfen – und auch die Studierenden und Mitarbeitenden, zu handeln. Der Bericht soll die Grundlage für diese kritische Auseinandersetzung sein.

Was kritisiert ihr an der Zusammenarbeit mit israelischen Unis?

Ich würde das am Beispiel der Hebräischen Universität zeigen. Der Campus der Uni in Ostjerusalem und die Studierendenwohnheime dort, auch für Austauschstudierende aus Leipzig, sind auf völkerrechtswidrig besetztem Gebiet. Das fördert die illegale Landnahme. Außerdem hat die Uni aus den 1967 besetzten Gebieten 30.000 Bücher und Zeitschriften aus palästinensischen Biblio­theken beschlagnahmt, die jetzt in der Hebräischen Universität stehen. Auch das ist völkerrechtswidrig.

Die Uni hat zudem Programme, die die Rekrutierung von Soldaten für Geheimdienste umfasst, und zur Entwicklung militärischer Technologie, unter anderem für den »Iron Dome« (israelisches Raketenabwehrsystem, jW). Die Uni stellt außerdem Lager für Waffen zur Verfügung. Weiter erstellt das Institut für Kriminologie zusammen mit dem israelischen Geheimdienst Arbeiten über die Frage, welche die besten Repressionen gegen Palästinenser sind. Zudem gibt es personelle Überschneidungen mit Militär und Verteidigungsministerium. Zuletzt muss noch genannt werden, dass kritische Stimmen und Protest unterdrückt werden. So darf man nicht mit Kufija auf den Campus. Ein prominentes Beispiel ist auch die Professorin Nadera Shalhoub-Kevorkian (damals an der Hebräischen Universität angestellt, jW), die letztes Jahr nach Kritik am Diskurs in Israel festgenommen wurde. Mittlerweile hat sie sich aus der Uni zurückgezogen.

Ähnliche Beispiele lassen sich auch an allen anderen Unis finden, mit denen die Uni Leipzig kooperiert.

Gibt es aus Ihrer Sicht auch unterstützenswerte Forschungsprojekte?

Es geht dabei nicht um den Inhalt der Forschung. Die Universitäten sind eng mit dem Zionismus verflochten, deshalb lehnen wir jegliche institutionellen Kooperationen ab. Indem man mit Institutionen zusammenarbeitet, die auf besetztem palästinensischen Gebiet stehen, kritische Meinungen unterdrücken oder militärische Forschung betreiben, macht man sich mitschuldig. Es geht nicht um den Boykott einzelner Wissenschaftler. Es gibt kritische israelische Wissenschaftler, von denen viele in Israel selbst Repressionen ausgesetzt sind.

Gab es Reaktionen auf Ihren Bericht?

Die Rektorin der Uni Leipzig hat in einer E-Mail an alle Mitarbeitenden den Bericht und den Boykott abgelehnt und darauf hingewiesen, dass die Uni an einem möglichst breiten wissenschaftlichen Austausch interessiert ist. Das ist eine sehr interessante Formulierung, denn sie schließt damit ja anscheinend militärische Zusammenarbeit ein. Man wolle an der Kooperation mit israelischen Unis festhalten und sie ausbauen. Dabei handelt es sich hier um handfeste Mittäterschaft bei völkerrechtswidrigen Handlungen, also dürfte die Uni rechtlich im Grunde keine Zusammenarbeit aufrechterhalten. Von Mitarbeitenden haben wir grundsätzlich positive Rückmeldungen bekommen.

Welche nächsten Schritte plant Ihre Gruppe?

Wir wollen jetzt Druck aufbauen. Aktuell sammeln wir Unterschriften für eine studentische Vollversammlung, die über das weitere Verfahren abstimmen soll. Auch eine Kundgebung zur Übergabe des Berichts an die Uni ist geplant.

Carmen D. ist Mitarbeiterin an der Universität Leipzig und aktiv in der Kampagne »Akademische Komplizenschaft beenden« von Students for Palestine Leipzig

Der Bericht ist unter https://akblpzuni.info/ zugänglich

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