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Aus: Ausgabe vom 14.11.2025, Seite 7 / Ausland
Krieg gegen Palästinenser

Fast täglich israelische Angriffe

Ein Monat Waffenstillstand in Gaza: Hunderte getötet, 1.500 Häuser zerstört, Nahrungsmittel und medizinische Güter blockiert
Von Jakob Reimann
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Israel blockiert Hilfsgüter: Noch immer hungern die Menschen im Gazastreifen (Deir Al-Balah, 12.11.2025)

Seit einem Monat ist das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas in Kraft. Dennoch bombardieren die israelischen Besatzungstruppen nahezu täglich die abgeriegelte Enklave: Am Donnerstag wurden Ziele in Beit ­Lahija und Gaza-Stadt im Norden sowie Khan Junis im Süden aus der Luft und mit schwerer Artillerie angegriffen. Seit Inkrafttreten des von Ägypten, Katar und den USA vermittelten Abkommens am 10. Oktober hat Israel an 25 Tagen den Gazastreifen bombardiert. Das geht aus einer Zählung von Al Dschasira hervor. Insgesamt seien dabei 242 Menschen getötet und 622 verletzt worden.

Allein bei zwei Massakern am 19. und 29. Oktober wurden 154 Menschen getötet, weit über ein Drittel davon Kinder. Israel behauptete, der zweite Angriff sei eine Reaktion auf Attacken der Hamas auf israelische Soldaten in Rafah gewesen, bei denen zwei Militärangehörige erschossen wurden. Der bewaffnete Flügel der Hamas wies jedoch darauf hin, dass Israel das Gebiet um die südliche Stadt kontrolliere und man keinen Kontakt zu Kämpfern dort habe. Es bleibt ungeklärt, wer für die Tötung der Soldaten verantwortlich ist.

Die Hamas habe die Vorgaben des Waffenstillstandsabkommens »vollständig und gewissenhaft eingehalten«, hieß es in einer Erklärung der Gruppe, die die US-Investigativplattform Drop Site News am Montag veröffentlichte. Darin werfen sie der israelischen Armee vor, die Rückzugslinie nicht eingehalten zu haben. Vielmehr seien die Truppen noch immer auf rund 33 Quadratkilometern über die im Abkommen vereinbarte »Gelbe Linie« hinaus im palästinensischen Gebiet stationiert. Außerdem sei die Armee teils mehr als einen Kilometer in diese Gebiete hinein mit Militärfahrzeugen eingedrungen und habe Stellungen eingerichtet. In der Erklärung werden viele weitere »Verletzungen und Brüche« des Abkommens genannt. Darunter die anhaltende Schließung des Grenzübergangs Rafah, die Inhaftierung Dutzender Menschen sowie insbesondere die »systematische« Blockade von Lieferungen mit Nahrung, medizinischen Gütern und Treibstoff für den Betrieb von medizinischen Einrichtungen.

Im ersten Monat wurde 4.453 Trucks der Zugang gewährt, was durchschnittlich 171 pro Tag und damit nur einem Bruchteil der im Abkommen verbrieften 600 entspricht, wie aus Zahlen der UNO hervorgeht. Vor allem die Einfuhr von Lebensmitteln wie Fleisch, Milchprodukten und Gemüse wurde demnach untersagt. Laut UNICEF verhindert Israel zudem eine Impfkampagne von Kindern gegen Polio, Masern und Lungenentzündung. Seit August bleibe für 1,6 Millionen dafür benötigte Spritzen und Kühlschränke zur Lagerung der Impfdosen die Einfuhrbewilligung verwehrt. Es handle sich um »Dual-use-Güter«, heißt es dazu bei Reuters. Gegenstände also, die auch militärisch genutzt werden können. COGAT, die für die Überwachung von Hilfsgütern zuständige Abteilung im israelischen Militär, bestreitet den Vorwurf. Allgemein sagt die Behörde, sie wolle sicherstellen, dass die Hamas Hilfsgüter »nicht zynisch für ihren eigenen militärischen Aufbau ausnutzt«.

Israel hat seit Beginn des Waffenstillstands mehr als 1.500 Gebäude in Gaza zerstört, so die Ergebnisse einer Untersuchung der BBC. Die Auswertung aktueller Satellitenbilder zeige, dass »ganze Stadtteile, die von den israelischen Streitkräften (IDF) kontrolliert werden, in weniger als einem Monat dem Erdboden gleichgemacht wurden«, heißt es dort. Die tatsächliche Zahl zerstörter Gebäude könnte jedoch »deutlich höher sein«, da der Rechercheabteilung BBC Verify für einige Gebiete keine Satellitenbilder zur Verfügung standen. Die Recherche basiert unter anderem auf verifizierten Videos, die israelische Soldaten in den sozialen Medien veröffentlicht haben und die »kontrollierte Sprengungen und den Abriss von Gebäuden durch Bagger zeigen«. Laut einem Sprecher der israelischen Besatzungstruppen seien diese Viertel vollständig »Terrorinfrastruktur«. Eitan Shamir, ein ehemaliger Leiter aus dem Ministerium für strategische Angelegenheiten, behauptete gegenüber BBC, die Zerstörungen stellten keinen Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen dar. Denn das Militär interpretiere die Vereinbarung so, »dass die Hamas in dem Gebiet, das sie kontrolliert, tun darf, was sie will – und Israel in dem Gebiet, das es kontrolliert, tun darf, was es will«.

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