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Aus: Ausgabe vom 14.11.2025, Seite 6 / Ausland
EU-Asylpolitik

Spaniens Melonisierung

Mauretanien eröffnet mit Geld aus Madrid und Brüssel Geflüchtetenlager. Kritik von der spanischen Linken
Von Carmela Negrete
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Auf solchen Booten wagen Geflüchtete die Überfahrt von Mauretanien zur Tourismusinsel Teneriffa

Die linke spanische Tageszeitung El Salto hat vergangene Woche eine brisante Recherche veröffentlicht: Spanien hat zwei Zentren für Geflüchtete in Mauretanien finanziert. Am 17. Oktober wurden sie fertiggestellt. Vertreter der EU und der spanischen Nationalpolizei haben die geschlossenen Lager zusammen mit dem mauretanischen Innenminister eingeweiht. Unbemerkt von der Öffentlichkeit tut Spaniens Premier Pedro Sánchez damit genau das, was seine Regierung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vorwirft: die Auslagerung von Grenzkontrollen und Haftanstalten ins Ausland. Meloni hatte eine ähnliche Einrichtung in Albanien errichten lassen.

Die neuen Zentren in Mauretanien, die ähnlich wie Gefängnisse betrieben werden, wurden von der dem spanischen Außenministerium unterstehenden Entwicklungsbehörde FIAP gebaut. Das geht aus der Recherche von El Salto hervor. Darin werden schwere Vorwürfe gegenüber den Autoritäten in Mauretanien erhoben, mit denen die spanische Grenzpolizei zusammenarbeitet: »Den festgenommenen Migranten werden all ihre Habseligkeiten einschließlich der Ausweispapiere und Telefone abgenommen, sie werden in Gefängnisse gebracht und müssen dort mehrere Tage unter unmenschlichen Bedingungen ohne Essen, Wasser und Zugang zu Toiletten verbringen.«

Zudem sollen sie systematisch »in abgelegenen Gebieten wie Gogui an der Wüstengrenze zu Mali ausgesetzt« werden, wo Dschihadisten aktiv sind, heißt es in El Salto. Dass Asylsuchende, die vor dem Krieg in Mali, Niger oder Guinea geflohen sind, in der Wüste ausgesetzt werden, verstößt sowohl gegen spanische als auch internationale Gesetze. In vielen EU-Ländern ist es gängige Praxis, dass Menschen eingesperrt werden, nur weil ihnen Papiere fehlen. In Spanien sind die Ankunftszentren jedoch bislang offen, da Einwanderung nicht als Verbrechen, sondern als administrative Frage behandelt wird. Noch. Laut spanischem Gesetz dürfen in Haftanstalten zudem keine minderjährigen Geflüchtete untergebracht werden. Genau das ist in den Lagern in Mauretanien jedoch offenbar der Fall, da es dort der El Salto-Recherche zufolge eigene Kinderbereiche und -betten gibt. Offiziell ist die sozialdemokratische Regierung Spaniens auf EU-Ebene auch gegen Melonis Initiative zur Asylpolitik – praktisch beweist sie nun das Gegenteil.

Finanziert wurden die Einrichtungen in den Städten Nouakchott und Nouadhibou aus Mitteln des spanischen Staates sowie des EU-Notfalltreuhandfonds im Rahmen des Projekts »Partenariat Opérationnel Conjoint« (POC). Ziel des POC ist die Bekämpfung der Migration auf dem afrikanischen Kontinent. »Angesichts der offensichtlichen Verstöße gegen die Menschenrechte und den Grundsatz der Nichtzurückweisung« sei die Finanzierung illegal und müsse gestoppt werden, sagte Isabel Serra, Abgeordnete der spanischen Partei Podemos, gegenüber El Salto. Laut der Stiftung »Por Causa« und anderen Menschenrechtsorganisationen sollen sich spanische Beamte in der Vergangenheit an Razzien zur Festnahme von Geflüchteten in Mauretanien beteiligt haben. Laut dem spanischen Innenministerium sind dort 50 Polizisten stationiert. Aus dem Land brechen viele der Boote auf, die eine der gefährlichsten Fluchtrouten der Welt antreten – in Richtung Kanarische Inseln.

Offenbar hielten die Sozialdemokraten der PSOE das Vorhaben so geheim, dass der linke Koalitionspartner Sumar erst aus der Presse davon erfuhr. Die Partei befragte daraufhin den Regierungspartner zur Entstehung der Zentren. Die Abgeordnete Tesh Sidi, die Wurzeln in der Westsahara hat, schreibt in der Anfrage, die Regierung habe »hinter unserem Rücken das Meloni-Modell umgesetzt, ein Modell der Auslagerung von Gefängnissen in Drittländer, in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden«. Sie fordert eine Befragung des Außenministers José Manuel Albares (PSOE) im Parlament, bei der er auch die Regierungsposition zur Westsahara erläutern soll.

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