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Aus: Ausgabe vom 13.11.2025, Seite 7 / Ausland
Serbien

Luxushotel statt Generalštab

Serbien: Tausende bilden »lebende Mauer« um historischen Gebäudekomplex in Belgrad, der Megaprojekt von Trump-Familie weichen soll
Von Roland Zschächner
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Mahnmal für die NATO-Aggression gegen das Land im Herzen Belgrads (11.11.2025)

Die Nachricht war deutlich: »Verflucht sei der Verräter an seiner Heimat« stand auf einem Transparent der Demonstranten vor dem Generalstabsgebäude in Belgrad. Gerichtet war die Zeile aus der ehemaligen jugoslawischen Hymne an die Regierung und an Präsident Aleksandar Vučić. Am Dienstag haben Tausende Menschen in der serbischen Hauptstadt gegen den geplanten Abriss des Komplexes protestiert. Das Filetgrundstück in zentraler Lage soll an Jared Kushner, den Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, abgegeben werden. Geplant sind ein Trump-Tower inklusive Luxushotel, mehr als tausend hochpreisige Wohnungen, Büros und Geschäfte.

Gegen die Pläne, die im vergangenen Jahr publik wurden, regt sich schon länger Widerstand. Die Kundgebung am Dienstag sei nur ein Warmlaufen, eine Warnung an die Regierung gewesen, erklärten die Organisatoren. Man sei bereit, das Gebäude mit den eigenen Körpern gegen den Abriss zu verteidigen. Als Zeichen dafür bildeten die Teilnehmer eine »lebende Mauer« um das auf zwei Grundstücken liegende Ensemble. Auch die seit einem Jahr gegen Vučić und seine regierende Serbische Fortschrittspartei demonstrierende Studierendenbewegung hatte sich dem Protest angeschlossen.

Der Generalštab, wie der Komplex auf Serbisch heißt, gehört eigentlich zum geschützten Kulturerbe des Landes. Das Gebäude ist 1965 im Stil der Moderne nach Plänen des Architekten Nikola Dobrović erbaut worden. Er entwarf es in Anlehnung an die Schlucht des Flusses Sutjeska, wo eine wichtige Schlacht zwischen den jugoslawischen Partisanen und den faschistischen Besatzern im Zweiten Weltkrieg stattfand. 1999 wurde der Komplex von der NATO bombardiert und teilweise zerstört. Seitdem ist er auch ein Symbol für die Opfer der westlichen Aggression. Doch im vorigen November wurde der Schutzstatus aufgehoben, nachdem im Mai 2024 ein Vertrag mit Affinity Global Development unterzeichnet worden war. Die von Kushner geführte zwei Milliarden US-Dollar schwere Firma will nicht nur in Belgrad, sondern auch an der albanischen Küste Luxusressorts hochziehen – unter anderem vom saudi-arabischen Staatsfonds finanziert.

Der Aufgabe, nicht nur das Kulturdenkmal, sondern das ganze Land vor westlichem Zugriff zu schützen, hat sich die Neue Kommunistische Partei Jugoslawiens verschrieben, wie deren Generalsekretär Aleksandar Đenić gegenüber jW unterstrich: »Das Generalstabsgebäude ist ein Symbol des antifaschistischen Kampfes, des sozialistischen Bauwesens, vor allem aber des Widerstands unseres Volkes gegen die NATO-Aggression und des Kampfes gegen den Imperialismus.« Der Verkauf des Komplexes stehe in Verbindung mit dem geplanten Abbau von Lithium in Westserbien. Die Vorkommen des wertvollen Rohstoffs haben sich vor allem deutsche Autokonzerne zusichern lassen.

Anstoß des aktuellen Protests war die Verabschiedung eines sogenannten Spezialgesetzes für den Generalštab am vergangenen Freitag im Parlament. Durch den Beschluss wird das Vorhaben des Trump-Schwiegersohns zu einem Projekt von allgemeinem Interesse und nationaler Bedeutung erhoben. Es genießt damit eine hohe Priorität, Behörden sind verpflichtet, alle notwendigen Verfahren schnell umzusetzen. Das dürfte Kushner gefallen, der 650 Millionen Euro in das Belgrader Projekt stecken will, wie Vučić am Dienstag im Fernsehsender Pink erklärte. Das sei »eine enorme Investition für unser Land«. Außerdem behalte der Staat das Grundstück, das für 99 Jahre lediglich verpachtet werde. Zugleich profitiere Serbien, das 22,5 Prozent der Gewinne erhalte. »Die Werte überall in Belgrad werden steigen«, frohlockte der Präsident. »Unsere Bevölkerung wird es genießen.«

Für Vučić dürfte es bei dem Projekt auch darum gehen, Trump auf seine Seite zu ziehen, wie serbische Medien vermuten. Denn der US-Präsident, der selbst bereits 2013 ein Auge auf den Generalštab geworfen hatte, verhängte im Oktober neue Sanktionen gegen russische Unternehmen. Davon ist auch die serbische Energiewirtschaft betroffen – dem Land droht deswegen bald das Erdöl und -gas auszugehen.

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