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Aus: Ausgabe vom 12.11.2025, Seite 7 / Ausland
Israel

Todesstrafe für Palästinenser

Israels Ultrarechte will palästinensischen Widerstand durch selektive Verhängung von Maximalstrafe bei Tötungsdelikten abschrecken
Von Gerrit Hoekman
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Mit dem Leben davongekommen: Palästinensischer Gefangener nach Freilassung durch Israel (Khan Junis, 27.2.2025)

Das israelische Parlament, die Knesset, hat am Montag mit 39 zu 16 Stimmen in erster Lesung ein Gesetz unterstützt, das die Todesstrafe bei Attentätern verlangt, die jüdische Israelis töten. Geschieht ein Mord nach Ansicht der Gerichte aus nationalistischen oder rassistischen Gründen, wäre ihre Anwendung zwingend. Die Befürworter glauben, dass sich Tötungen von Israelis durch Palästinenser so wirksam verhindern ließen. Kritiker bemängeln indes, das Gesetz messe mit zweierlei Maß, weil hingegen jüdische Israelis, die Araber umbringen, mit dem Leben davonkämen. Bevor es in Kraft tritt, muss das Gesetz noch zwei Lesungen durchlaufen.

In Zukunft muss jede Person mit der Höchststrafe rechnen, die mit dem Ziel tötet, »dem Staat Israel und der Wiederbelebung des jüdischen Volkes in seinem Land zu schaden«, zitierte die Internetzeitung Times of Israel am Dienstag aus dem Entwurf. Er stammt von Limor Son Har-Melech, einer von sechs Abgeordneten der extrem rechten Partei Otzma Jehudit (Jüdische Stärke), deren Vorsitzender Itamar Ben-Gvir ist, einer der übelsten Hetzer im Land und Sicherheitsminister im Kabinett von Premierminister Benjamin Netanjahu.

»Heute haben wir einen historischen Schritt hin zu wahrer Gerechtigkeit und einer stärkeren Abschreckung gegen Terrorismus unternommen. Das ist ein moralischer und nationaler Ausdruck eines Volkes, das sich weigert, eine Realität zu akzeptieren, in der Mörder von Juden im Gefängnis sitzen und auf Deals hoffen«, freute sich Son Har-Melech israelischen Medien zufolge.

Formal gibt es in Israel die Todesstrafe bereits. Etwa für Hochverrat oder unter bestimmten Bedingungen im Rahmen des Kriegsrechts, das auf der Westbank gilt. Bis jetzt müssen die drei Richter eines Militärtribunals einstimmig für die Verhängung der Todesstrafe stimmen, in Zukunft reicht die Mehrheit von zwei der drei Voten. »Der Entwurf schließt zudem die Möglichkeit aus, dass regionale Militärkommandeure solche Urteile umwandeln«, berichtete Times of Israel. Die Todesstrafe wurde in Israel übrigens erst ein einziges Mal vollstreckt – 1962 an dem Naziverbrecher Adolf Eichmann.

Son Har-Melech war sich nicht zu schade, in der Debatte das Urteil im Eichmann-Prozess auf heute zu übertragen. »Tausende Mordopfer stehen an ihrer Seite, aber sie können nicht aufstehen, um mit dem Finger auf die abscheulichen Mörder zu zeigen und gegen die palästinensischen Terroristen zu schreien: Ich klage sie an!«, sagte sie voller Pathos. Sie bediente sich dabei der Worte Gideon Hausners, des damaligen Generalstaatsanwalts, wobei sie dessen Hinweis auf den »Angeklagten im Glaskasten« durch die »palästinensischen Terroristen« ersetzte. Eichmann hatte dem Verfahren gegen sich in einer Kabine beigewohnt.

Son Har-Melechs Ehemann war 2003 bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Zwei der Täter seien im Rahmen des jüngsten Waffenruheabkommens mit der Hamas im Gazastreifen freigelassen worden, so die Politikerin. Sie frage, wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn sie anstatt dessen hingerichtet worden wären. Die Todesstrafe verändere nun die Situation: »Keine Gefängnisse mehr. Keine Deals mehr. Keine Bewährungsstrafen mehr. Sondern die Todesstrafe. Denn es ist ganz einfach: Wenn ein Terrorist stirbt, kehrt er nicht in den Terrorzirkel zurück und wird nicht lebend freigelassen.«

Die Opposition votierte fast vollständig gegen den Entwurf oder erschien erst gar nicht zur Abstimmung. Darunter befanden sich auch die meisten Abgeordneten der Schas-Partei, die erst im Juli die Regierungskoalition verlassen hatte. Die ultraorthodoxe Degel-Ha-Tora-Fraktion des Vereinigten Torajudentums blieb der Abstimmung ebenfalls fern. Der spirituelle Führer der Toraorthodoxen, Rabbi Dov Lando, warnte vor noch mehr »Blutvergießen«, falls die Knesset den Entwurf absegne. Aus den Reihen der Opposition stimmte einzig die Partei Jisrael Beitenu (Unser Haus Israel) des Hardliners Avigdor Lieberman zu. »Ein Terrorist muss sterben – auf dem Schlachtfeld oder vor Gericht«, sagte er.

Nach dem Votum war die Laune bei der Ultrarechten im Parlament bestens – Ben-Gvir verteilte landesübliches Gebäck an die Abgeordneten. Die Ordner unterbanden schließlich die Aktion. Mit einer solchen Geste hatten zuweilen palästinensische Aktivisten auf der Straße den Überfall auf Israel gefeiert und waren dafür weltweit kritisiert worden.

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  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (12. November 2025 um 02:13 Uhr)
    »Das israelische Parlament, die Knesset, hat am Montag mit 39 zu 16 Stimmen in erster Lesung ein Gesetz unterstützt, das die Todesstrafe bei Attentätern verlangt, die jüdische Israelis töten.« Wenn einer der übrigen Bürger durch Attentate getötet wird, dann erhält er keine Todesstrafe. Und wenn er als Armeeangehöriger gar Palästinenser tötet, die keine Bürger Israels sind, erhält er dafür in vielen Fällen eine Auszeichnung. Für das israelische Parlament gibt es eben Menschen erster, zweiter und dritter Klasse. Das ist Rassismus in Reinkultur. Bei wem mögen sie da wohl in die Schule gegangen sein? »In Zukunft muss jede Person mit der Höchststrafe rechnen, die mit dem Ziel tötet, «dem Staat Israel und der Wiederbelebung des jüdischen Volkes in seinem Land zu schaden». Große Teile des von Israel besetzten und von ihm beanspruchten Land sind nach internationalem Recht und zahlreichen Beschlüssen der UNO eben nicht das Land des jüdischen Volkes. Auch militärischer Widerstand gegen die Okkupanten ist daher legitim, in Dokumenten der UN nachzulesen. Wer Kämpfer hinrichtet, welche berechtigten (!)Widerstand leisten (also keinen Terror gegen Zivilisten), der begeht staatlich angeordneten Mord.

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