Dollars und ein Goldklo in Kiew
Von Reinhard Lauterbach
Das Zentrale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) hat am Montag die Wohnung und Geschäftsräume eines zumindest früher engen Mitarbeiters des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij durchsucht. Es handelt sich um Timur Mindich, Miteigentümer des Fernsehunternehmens »Kwartal 95«. Ukraines Präsident hatte die TV-Firma, die ihn einst als Entertainer landesweit bekannt machte, 2003 mitgegründet. Selenskij hatte Mindich nach Kiew mitgenommen, als er zum Präsidenten gewählt wurde. Bei der Durchsuchung von dessen Wohnung wurden nach Angaben der NABU packenweise Hundertdollarscheine beschlagnahmt sowie eine goldene Toilettenschüssel vorgefunden.
Ein zweiter Beschuldigter ist der frühere Energieminister German Galuschtschenko. Er soll seine Position ausgenutzt haben, um den staatlichen Kraftwerksbetreiber Energoatom zu schädigen. Der Plan habe darin bestanden, alle Lieferanten der ukrainischen Atomkraftwerke zu Schmiergeldzahlungen in Höhe von zehn bis 15 Prozent der Auftragssumme zu zwingen, wenn sie die Geschäftsverbindung zu Energoatom aufrechterhalten wollten. Mindich ist flüchtig. Er hatte offensichtlich Stunden vor der Razzia einen Hinweis erhalten und soll die Ukraine Hals über Kopf verlassen haben. Der Geschäftsmann war offenbar schon länger im Visier der Ermittler, die seine Wohnung über mindestens ein Jahr abgehört haben. Angeblich soll sich auch Selenskij zu geschäftlichen Besprechungen dort aufgehalten haben.
Mit der Razzia bei Mindich lebt ein Skandal wieder auf, der im Sommer zu den ersten Anti-Selenskij-Protesten seit Kriegsbeginn geführt hatte. Damals hatte der Präsident versucht, die Antikorruptionsermittler seiner Behörde zu unterstellen. Er hatte das Vorhaben allerdings schon nach wenigen Tagen aufgeben müssen, nachdem ihm die EU mit dem Entzug der Finanzmittel gedroht hatte. Damals kam es zu der kuriosen Situation, dass die Selenskij-treue Mehrheit erst für den Maulkorb für die Antikorruptionsbehörden stimmte und eine Woche später für das Gegenteil. Inzwischen distanzierte sich der Präsident von Mindich und erklärte, die Korruptionsermittlungen auf allen Ebenen seien »extrem wichtig« für die Ukraine.
Exenergieminister Galuschtschenko ist auch verdächtig, Aufträge zur Sicherung ukrainischer Energieanlagen gegen Bomben- und Raketenschläge nicht ausgeführt und das bewilligte Geld abgezweigt zu haben. Auf Audiodateien mit mutmaßlichen Gesprächen der Beteiligten soll die Galuschtschenko zugeordnete Stimme gesagt haben, der Wiederaufbau zerstörter Anlagen sei lukrativer, als sie jetzt zu schützen.
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