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Aus: Ausgabe vom 11.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
US-Shutdown

Make America Liquid Again

US-Shutdown: Demokraten machen Weg im Haushaltsstreit frei. Es gibt keine Zugeständnisse des Trump-Regimes
Von Lars Pieck
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Die Regierungsgeschäfte laufen wohl bald weiter – dann werden auch die Fluglotsen wieder bezahlt

Nach 40tägigem Regierungsstillstand – dem bisher längsten in der Geschichte der USA – stimmten nun einige Mitglieder der demokratischen Partei gegen ihre eigene Fraktion und votierten gemeinsam mit den Republikanern für ein Gesetz zur Wiederaufnahme der Regierungsgeschäfte.

In einer ersten Probeabstimmung im Rahmen mehrerer notwendiger Verfahrensschritte gab es im Senat ein Verhältnis von 60 zu 40 Stimmen für einen Kompromissentwurf zur Finanzierung. Die endgültige Verabschiedung könnte sich jedoch verzögern, sollte eine kritische Masse demokratischer Abgeordneter Einspruch erheben. Die Vereinbarung garantiert relevanterweise nicht die von den Demokraten seit fast sechs Wochen geforderte Verlängerung der Zuschüsse für das Gesundheitssystem »Obamacare«, über die im Gegenzug Mitte Dezember abgestimmt werden soll.

Eine Gruppe von acht älteren Senatoren, die entweder nicht erneut antreten oder die sich erst in einigen Jahren wieder einer Wahl stellen müssen, beendete am Sonntag die sechswöchige Pattsituation. Sie stimmten für drei parteiübergreifende jährliche Ausgabevorlagen und verlängerten die übrigen Mittel bis Ende Januar. Die Vereinbarung finanziert Nahrungsmittelhilfe, Veteranenprogramme und die Legislative, stellt entlassene Bundesangestellte wieder ein, erstattet Bundesstaaten während des Shutdowns entstandene Kosten, verhindert weitere Entlassungen bis Januar und garantiert die Auszahlung ausstehender Gehälter. Außerdem werden die massenhaften Entlassungen seit dem 1. Oktober durch die Trump-Regierung zurückgenommen.

Senatsführer Chuck Schumer, der gegen den Entwurf stimmte, steht nun vor der Wahl, entweder einige Kollegen die Verantwortung für den Deal tragen zu lassen oder zu suggerieren, er sei nicht in der Lage, seine Fraktion zusammenzuhalten. Bereits im März schlug Schumer Kritik entgegen, als er für die Aufrechterhaltung des Regierungsbetriebs gestimmt hatte. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, John Thune, unterstützte seinerseits die Vereinbarung sofort und setzte eine umgehende Abstimmung an, um die Verabschiedung einzuleiten. Präsident Donald Trump erklärte: »Es sieht so aus, als würden wir uns dem Ende des Shutdowns nähern.«

Senator Bernie Sanders nannte das Einknicken seiner Fraktion vor den Republikanern einen »schrecklichen Fehler«. Senator Chris Murphy stimmte zu und erinnerte daran, dass die Wähler die Demokraten in der vergangenen Woche unter anderem bei den Bürgermeisterwahlen in New York zahlreich unterstützt hätten, was sie eigentlich bei den Verhandlungen stärken müsste. Dennoch beugten sich die Demokraten den unpopulären Haushaltsforderungen der Regierung ohne Zugeständnisse. Dabei ist die Verhandlungslage für die Demokraten gerade günstig; die Zustimmungswerte des Präsidenten liegen bei gerade 37 Prozent und die Öffentlichkeit macht überwiegend die Republikaner für den Shutdown verantwortlich.

US-Fluggesellschaften strichen am Sonntag erstmals über 2.000 Flüge, mehr als 7.000 Flüge waren verspätet. Verkehrsminister Sean Duffy warnte, der Flugverkehr könnte vor Thanksgiving »auf ein Minimum reduziert« werden. Gleichzeitig verzögerte sich die Lebensmittelhilfe für Millionen Menschen, da die sogenannten SNAP-Leistungen durch Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Shutdown blockiert wurden.

Für die Demokraten ist es die zweite politische Niederlage im Streit um den Regierungshaushalt. Dennoch fordert bisher kein Senator öffentlich eine Erneuerung der Parteiführung. In beiden vorhergegangenen Streits kapitulierten die Demokraten ohne greifbare Zugeständnisse. Die Republikaner hatten ihrerseits auch dieses Mal darauf gesetzt, dass die Demokraten letztlich aufgeben würden; und ihre Einschätzung hat sich bestätigt. Die größten Proteste der US-Geschichte, die Trump-Regierung und die Wahlen vom Dienstag zeigen die wachsende Unzufriedenheit in der Öffentlichkeit. Dennoch ist die liberale Partei weder in der Lage noch willens, Widerstand zu leisten. Wird die Führung der Demokraten nicht erneuert, droht ihnen dauerhafte politische Impotenz.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (11. November 2025 um 10:23 Uhr)
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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (11. November 2025 um 07:18 Uhr)
    Interessant: Was ist an den Demokraten »liberal« außer dem Heiligenschein, den sie sich immer mal wieder zum Spaß selbst aufsetzen? Sie repräsentieren doch lediglich eine andere Fraktion des Kapitals. Sie handeln doch nicht liberal, sondern genauso aggressiv, von Ausbeutung besessen und von US-amerikanischem Sendungsbewusstsein geprägt, wie die Republikaner.

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