Bamako im Kreuzfeuer
Von Jörg Tiedjen
Um das westafrikanische Land Mali tobt nicht nur eine Schlacht am Boden. Hinzu kommt der Krieg der Informationen. Ein treffendes Beispiel dafür bietet die erste Ausgabe des »Internationalen Salons für Verteidigung und Sicherheit« (Bamex 25), der diesen Dienstag in Bamako und dem nicht weit vor den Toren der Hauptstadt liegenden Koulikoro beginnen und bis Freitag dauern soll. Auf ihm wollen vor allem türkische Rüstungsbetriebe ihre neuesten Produkte wie Drohnen vorstellen. Doch ein auf Freitag datiertes und in sozialen Netzwerken verbreitetes Schreiben säte Zweifel darüber, ob die Waffenmesse tatsächlich stattfindet. In dem Papier, das einer offiziellen Mitteilung des malischen Außenministeriums nachempfunden ist, heißt es, dass die Veranstaltung »bedauerlicherweise auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss«. Allerdings handele es sich um eine »von Personen mit üblen Absichten in Umlauf gebrachte Fälschung«, stellte die Regierung am Sonnabend auf X klar.
Hintergrund ist die anscheinend auch vor Ort schwer einzuschätzende militärische Lage im Land. Am Sonntag drückte der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union in einem dramatischen Appell »seine tiefe Besorgnis über die sich rapide verschlechternde Sicherheitslage in Mali« aus, »wo terroristische Gruppen Blockaden verhängt, den Zugang zu lebenswichtigen Gütern unterbrochen und die humanitären Bedingungen für die Zivilbevölkerung erheblich verschlechtert haben«. Angesichts dessen verlangt Mahamud Ali Jussuf eine sofortige »robuste, koordinierte und kohärente internationale Reaktion zur Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus«. Man könnte sich an 2013 erinnert fühlen, als Mali plötzlich international in den Schlagzeilen stand. Damals hieß es, dass Dschihadisten kurz davor stünden, Bamako einzunehmen. Die alte Kolonialmacht Frankreich war auf die Horrormeldung gut vorbereitet und entsandte sogleich ein »Operation Serval« genanntes Expeditionskorps. Seitdem hat sich der Dschihadismus allerdings über die gesamte Region verbreitet. Die Feuerwehr war in Wirklichkeit ein Brandstifter. 2022 wurde Frankreichs Armee wieder des Landes verwiesen.
Auch jetzt wird über einen baldigen Fall der malischen Regierung orakelt. »Mali bricht leise vor den Augen der Bevölkerung zusammen«, sagte etwa der malische Dissident Étienne Fakaba Sissoko am Sonnabend im französischen Auslandsfernsehen France 24, einen Tag nachdem Präsident Emmanuel Macron alle Franzosen zum »vorübergehenden Verlassen« des Landes aufgefordert hatte. »Es gibt hauptsächlich zwei Szenarios: Das erste ist, dass die Dschihadisten hinter den Kulissen bleiben, aber die wahre Staatsgewalt ausüben, zumal sie bereits den Verkehr im Land kontrollieren. Das zweite ist, dass sie direkt die Macht übernehmen.« Auch behauptete der frühere Berater des 2020 gestürzten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta, dass sich »Bündnisse zwischen den (oppositionellen; jW) politischen Kräften im Land und den Dschihadisten« abzeichneten, um die gegenwärtige Regierung abzulösen. Am Sonntag verbreitete die neokonservative US-Webseite »Critical Threats«, dass Bamako Verhandlungen mit den Dschihadisten aufgenommen habe.
Die malischen Medien selbst zeichnen die Lage keineswegs rosig. Besonders bewegt die Einwohner des Sahelstaats gegenwärtig die Ermordung der Bloggerin Mariam Cissé, die mit ihren Videoclips Zehntausende Follower hatte. Die junge Frau hatte am Donnerstag wie gewohnt einen Jahrmarkt bei dem Städtchen Tonka im inneren Nigerdelta besucht und war anscheinend von Dschihadisten entführt worden, die nicht durch Zufall ins Bild geraten wollten. Am Freitag wurde ihr Leichnam gefunden. »Mariam Cissé war keine politische Aktivistin«, hieß es dazu auf der Nachrichtenseite Malijet. »Sie hatte nichts weiter als ein Smartphone – und einen Traum: über ihren Heimatort zu berichten, das Leben in Tonka zu zeigen und trotz allem aufrecht zu bleiben. Ihr Name hallt als der einer Märtyrerin der freien Meinungsäußerung wider.«
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