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Aus: Ausgabe vom 11.11.2025, Seite 6 / Ausland
Sexualisierte Gewalt

Sheinbaum gibt Nulltoleranz aus

Mexikos Präsidentin klagt Täter nach sexuellem Übergriff an und kündigt juristische Reform an
Von David Siegmund-Schultze
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Selbst sie ist nicht vor sexuellen Übergriffen gefeit: Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum (Mexiko-Stadt, 5.11.2025)

Inmitten von Passanten und Journalisten hat er Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum an die Brust gefasst und versucht, sie zu küssen. Sheinbaum war am vergangenen Dienstag auf dem Weg zu einer Veranstaltung in Mexiko-Stadt, sprach mit vorbeilaufenden Menschen und machte Fotos, als der 33jährige Mann sie belästigte. Videoaufnahmen, die auf Onlineplattformen kursieren, zeigen den Übergriff. Tags drauf erstattete sie Anzeige gegen den Mann, der daraufhin festgenommen wurde. »Wenn ich keine Anzeige erstatte, was geschieht dann mit allen mexikanischen Frauen? Wenn sie dies mit der Präsidentin machen, was wird dann mit den jungen Frauen geschehen?«, sagte die 63jährige in einer Stellungnahme.

Am Sonnabend eröffnete ein Richter in Mexikos Hauptstadt ein Verfahren wegen sexueller Belästigung gegen den Angeklagten. Einen Tag zuvor fand bereits eine Gerichtsverhandlung gegen ihn statt. Dabei ging es um eine 25jährige Frau, die am selben Tag wie die Präsidentin der sozialdemokratischen Partei Morena belästigt wurde. »Heute bekräftigen wir unser Bekenntnis zur Nulltoleranz gegenüber Gewalt gegen Frauen. In dieser Stadt hat Belästigung keinen Platz. Wenn sie eine von uns angreifen, greifen sie uns alle an«, schrieb die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Clara Brugada (Morena), auf X.

Einen Tag nach dem Übergriff kündigte Sheinbaum eine juristische Reform an, um sexuelle Belästigung landesweit als Straftat zu definieren. Das ist bislang nur in der Hauptstadt der Fall. In Mexiko besteht ein juristischer Flickenteppich, wenn es um sexuelle Belästigung und Gewalt geht. In jedem Bundesland gelten unterschiedliche Definitionen der Tatbestände und Strafmaße. Damit soll nun Schluss sein und die Rechtslage vereinheitlicht werden. Außerdem soll es Opfern von sexualisierter Gewalt einfacher gemacht werden, Anzeige zu erstatten, ohne dass erneute Traumatisierungen stattfinden.

Das Verhalten des Angeklagten sei »machohaft« gewesen, schrieb die Ministerin für Frauen und Gleichstellung, Citalli Hernández, auf X. Sie begrüßte, dass Sheinbaum den Täter angeklagt hat. »Die Frauen sollen wissen, dass sie nicht allein sind, und die Männer, dass es keine Straffreiheit geben wird«, so Hernández. Sie warnte zugleich davor, derartige Übergriffe zu »trivialisieren«. Die UN-Einheit für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen, UN Women, betonte ebenfalls, dass Gewalt gegen Frauen nicht normalisiert oder kleingeredet werden dürfe. »Jede Form von Belästigung, Schikane oder Missbrauch stellt eine Menschenrechtsverletzung und eine Straftat dar, die angezeigt, bestraft und beseitigt werden muss«, hieß es in einer Stellungnahme zum Übergriff gegen Sheinbaum am Mittwoch. Die angekündigten Maßnahmen der Regierung seien ein »wichtiger Schritt zur Beseitigung der Straflosigkeit und zur Schaffung sicherer Umgebungen für alle Frauen«, so UN Women. Etwa 70 Prozent der über 14 Jahre alten Frauen in Mexiko sind nach UN-Angaben mindestens einmal in ihrem Leben sexuell belästigt worden. Laut einer Erhebung der nationalen Statistikbehörde INEGI von diesem Jahr ist 48 Prozent der Frauen über 15 Jahre bereits sexualisierte Gewalt angetan worden.

Auch in Mexiko ist Gewalt gegen Frauen tödlich. 821 Femizide hat es im vergangenen Jahr laut Regierungsangaben gegeben. Bis September wurden in diesem Jahr 501 Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, registriert. Aktivistinnen betonen jedoch, dass die tatsächliche Anzahl der Femizide deutlich höher ist. Verschiedene Organisationen und Behörden schätzen, dass mehr als 90 Prozent der Fälle nicht gemeldet werden.

»Wir leben immer noch in einer Welt voller Frauenfeindlichkeit, das ist nach wie vor Teil der Realität, mit der wir in den Seminarräumen leben«, sagte Violeta Núñez Rodríguez gegenüber der Tageszeitung La Jornada am Sonntag. Die Wissenschaftlerin für ländliche Entwicklung wies darauf hin, dass schätzungsweise 40 bis 60 Prozent der Studentinnen bereits an der Universität sexuell belästigt wurden.

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