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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 3 / Ansichten

Abgehängt

Regierungsstreit und Wadephul
Von Arnold Schölzel
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Außenminister Johann Wadephul in Syrien (bei Damaskus, 30.10.2025)

Schwer zu sagen, ob das Personal der amtierenden Regierung noch unfähiger ist als das der Vorgängertruppe. Der interne Inkompetenzwettbewerb ist allerdings Randerscheinung, das ständige gegenseitige Piesacken Ausdruck der Lage des Landes.

Die »Zeitenwender« stürzten sich großmachtgeil in den ukrainischen NATO-Stellvertreterkrieg und hinterließen einen gesellschaftlichen Krampf: Sie ruinierten nicht Russland, sondern die deutsche Industrie. Wobei die Wirtschaftsleistung seit 2018 stagniert, wie Merz soeben seiner Fraktion mitteilte. Er und SPD-Kompagnon Klingbeil fabulieren seit Februar von Aufschwung durch Rüstung, nun heißt es, hierzulande gehe es nicht um eine Konjunkturdelle, sondern um einen »Strukturbruch«, sprich: Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte steht es schlecht. In der FAZ verlangten also am Montag die »Starökonomen« Niall Ferguson und Moritz Schularick, zwecks Aufholjagd müsse beim Aufrüsten »Schallgeschwindigkeit« erreicht werden. Das ist geistige Sklerose – kommt vom Verbeißen in Krieg und Wahn.

Denn Deutschland mangelt es nicht an Ballergerät, sondern an Innovation. Es fällt bei Spitzenentwicklungen stetig weiter zurück, die hiesigen Autokonzerne flüchten mit Forschung und Entwicklung nach China, um vorn mitzumischen. In Berlin aber befasst sich am Mittwoch der neue Nationale Sicherheitsrat mit den von Putin persönlich gelenkten Drohnen, die vielleicht keine sind, an deutschen Flughäfen. Deutschland – eine gefährliche Lachnummer. Von Niedergang und Wut profitiert allein die AfD.

Das sogenannte Regieren beschränkt sich aufs Schielen in deren Richtung und Befolgen jedes Winks von dort, d. h. gegenüber Migranten das Ersetzen von Politik durch reaktionären Krawall, Aufhebung des Rechts und Verfassungsbruch. Dilettantisch, dumm und herrenvolkmäßig wie bei Baerbock geht es in der Außenpolitik weiter. Deutet der Außenminister auch nur an, er habe in Syrien Weicheianwandlungen, fletschen seine Partei-»Freunde« die Zähne und lancieren Ablösegerüchte in der Springerpresse. Das hat der getreue Knappe Johann Wadephul nicht verdient, weswegen sein Chef am Mittwoch ausrichten ließ, er stehe »selbstverständlich« hinter ihm. Kann sein, um besser in dessen Rückenverlängerung treten zu können. Denn noch am Sonntag hatte Merz Liebesentzug angedeutet und mit größter Selbstverständlichkeit Syrien zum Heimkehrland erklärt.

Unmaßgeblich bleibt der Blödsinn, den Wadephul im Unterbietungswettstreit mit seiner Amtsvorgängerin von sich gab wie »Russland für immer ein Feind«. Schwerer wiegt der Flop, den er sich mit Beijing leistete: Er kündigte als Gast an, was die Gastgeber aufzutischen haben. Aus Taiwan war zu hören: »Was bildet sich Deutschland ein?«
Antwort: Viel Gestriges. Wer Merz und Wadephul hat, muss sich ums Abgehängtwerden nicht mehr sorgen.

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