Den Bankrott erklärt
Von Oliver Rast
Das können sie prima: gipfeln und konferieren, protokollieren und dokumentieren. Besonders zur Stahlindustrie. Und ganz besonders: folgenlos. Gipfelei und Texterei folgen dabei einem ominösen Turnus. Eine Auswahl: Handlungskonzept Stahl der Bundesregierung (Juli 2020), Resolution der Allianz der Stahlländer (Januar 2024), Positionspapier zum Erhalt der mittelständischen Stahlindustrie in Deutschland (Mai 2024), Nationaler Aktionsplan Stahl (September 2024), Stahlgipfel im Scholzschen Bundeskanzleramt (Dezember 2024).
Und es scheint: jedem temporären Kanzler seinen stählernen Gipfel – oder wie es Donnerstag im Merzschen Amtssitz nur noch hieß: »Stahldialog«. Kabinettschef, Minister, Konzernbosse sowie Gewerkschafts- und Belegschaftsvertreter kamen zusammen – zu einer Art Stuhlkreis. Für 90 Minuten, mehr war terminlich wohl nicht drin.
Und was haben die Gipfelanten auf den Weg gebracht, um die Branche samt Jobs zu retten? Einen Hauch von Nichts. Eine Bankrotterklärung, 14.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) lang. Merz-Kostproben: »Die Stahlindustrie ist von großer Bedeutung für unseren Wirtschaftsstandort.« Oder: »Wir brauchen eine echte Stahlstrategie, die in dem heutigen Dialog ihren Ausgangspunkt gefunden hat.« In diesem Stil geht es weiter. Unlesbar.
Vor allem: untragbar. Denn in hiesigen Stahl- und Hüttenwerken ackern immerhin noch rund 80.000 Malocher – und bis zu fünfeinhalb Millionen in verarbeitenden Wirtschaftszweigen. Fehlen Produkte aus Eisen-Kohlenstoff-Legierungen, schmieren zugleich der Maschinenbau, die Auto- und Zuliefererbranche, die Energietechnik und der Bausektor ab. Kurzum: ohne Stahl keine industrielle Wertschöpfung durch die Mehrwertproduzenten.
Wenn Gewerkschafter und Betriebsräte schon (beständig) mitgipfeln, dann müssen sie kraftvoll durchsetzen: einen Industriestrompreis von fünf Cent je Kilowattstunde. Wenigstens. Eine Standort- und Arbeitsplatzgarantie. Mindestens. Bundesbeteiligungen an sowie die Vergesellschaftung von Werken und Hütten. Bestenfalls.
Bleibt das aus, kommt das Aus: für die Stahlbranche. Prima.
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