Gegründet 1947 Montag, 22. Dezember 2025, Nr. 297
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 3 / Ansichten

Friedensmacht des Tages: NATO

Von Felix Bartels
3 port.jpg
Flagge vorm NATO-Hauptquartier in Brüssel

Bewaffnet, doch als Friedensheld. Das von Wilhelm Busch derart bedichtete Tier ist tatsächlich friedlich, seine Stacheln halten die Fress-feinde fern. In der Sphäre der globalen Politik wimmelt es von Akteuren, die sich als Igel identifizieren. Kissinger hat den Friedensnobelpreis erhalten, Grass den für Literatur, man hätte auch Grass den für Frieden und Kissinger den für Literatur geben können, der Unsinn wäre nicht größer.

Wie am Donnerstag bekanntwurde, wird die NATO 2026 den Internationalen Preis des Westfälischen Friedens erhalten. Putin dürfte, wie weiland Freud, missmutig »Beim Friedenspreis übergangen« notiert haben. Er hat bislang schlicht zu wenige Länder angegriffen, um in Münster berücksichtigt zu werden. Die in der NATO verbündeten Staaten haben, mit oder ohne Mandat, im Ablauf des zurückliegenden Dreivierteljahrhunderts mehr Kriege begonnen, übernommen oder am Laufen gehalten als sämtliche anderen Staaten und Bündnisse. Rund um den Globus weiß man über ­NATOderfahrungen zu berichten.

Scham kompensiert sich am besten mit Schamlosigkeit. Das Wort wird Macht, wenn der Sprechende Macht hat und die Bereitschaft, es oft genug zu wiederholen. Mit der Auszeichnung soll »die kontinuierliche Friedensarbeit« der NATO gewürdigt werden. Sie, die derzeit unter Maßgabe der Siegfriedenlogik vermittels kontinuierlicher Militärhilfe eine Land-für-Frieden-Lösung in der Ukraine verhindert, schaffe »Verlässlichkeit, fördere Partnerschaft und ermögliche Frieden durch Stabilität«. Den Elefanten im Raum muss nicht ignorieren, wer ihn zur Friedenstaube erklären kann: So lobt die Jury den Kosovokrieg und das Lodernlassen des Kriegs in der Ukraine.

Statt es wenigstens zu beschweigen. Rodaris Gelsomino, Orwells 1984, Andersens nackter Kaiser – unsere Gegenwart ist die Dystopie zum Schaudermärchen.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Hamburg, Manni Guerth (11. November 2025 um 09:20 Uhr)
    Als ich damals 1984 von Orwell las, habe ich seine Beschreibung von einem Überwachungsstaat mit der Parole Krieg ist Frieden, Gedankenverbrechen, usw. für Phantasie und fiktive Geschichte abgetan. Es las sich wie ein langatmiger Perry-Rhodan-Roman. Heute bewerte ich »1984« ganz anders. Die politische Realität im Westen hat viel gemeinsam mit dem Inhalt von »1984«. Die NATO bekommt einen Friedenspreis = Krieg ist Frieden. Das Wahrheitsministerium = Meldestellen für Denunziation. Die politische Entwicklung im Westen bewegt sich in Richtung neoliberal-faschistische Diktatur. Dieser Faschismus zeigt sich nicht in Uniform, er zeigt sich im Nadelstreifenanzug. Die Wahrheit ist oft schmerzvoll und gefährlich. Die Lüge ist wie eine warme Decke. Darum greifen die meisten Menschen zu der warmen Decke.
  • Leserbrief von Brunhilde Süße aus Cottbus (10. November 2025 um 12:53 Uhr)
    Wie war das noch mal mit dem Westfälischen Frieden? Der hat den 30(!)-jährigen Krieg beendet. Dabei will die NATO erst noch anfangen mit dem ganz großen Krieg. Was bekommt sie dann in 30 Jahren für eine Auszeichnung? Ich schlage den »Darwin Award« vor! Allerdings bezweifle ich, dass die NATO das Kriterium für die Bewerbung, keine geistige Störung zu haben, erfüllt.
  • Leserbrief von B.S. aus AMMERLAND (7. November 2025 um 12:34 Uhr)
    Man hat nicht nur den Bock zum Gärtner gemacht, man hat einem Krieg (Atomkrieg) gegen Russland Tor und Tür geöffnet. Selten eine solche Pervertierung der Realitäten erlebt!
  • Leserbrief von Wolfgang Schlenzig aus Berlin-Mariendorf (7. November 2025 um 10:39 Uhr)
    Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dass sowas Verrücktes ausgedacht wird, zeigt die diametral entgegengesetzten Denkweisen auf dieser Erde. Rüstung + Krieg + Chaos anrichten auf Erden = Frieden, ist deren Formel.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (7. November 2025 um 03:48 Uhr)
    Mit der Auszeichnung soll »die kontinuierliche Friedensarbeit« der NATO gewürdigt werden. Die Schamlosigkeit, das Wort Frieden zu missbrauchen, in dem man gerade den prominentesten Kriegstreibern Friedenspreise verleiht, begegnet einem auf Schritt und Tritt (Friedenspreis des deutschen Buchhandels, Kalspreis, Friedensnobelpreis). Allerdings ist es auch ein Armutszeugnis für den Durchschnittsbürger, dass die westlichen Propagandisten der Meinung sind, ihm solche Lügen glaubhaft auftischen zu können. Die (!) sind jedenfalls nicht dumm, und würden solche Preisverleihungen unterlassen, wenn sie nicht fest mit dem mehrheitlich propagandistischen Erfolg beim Bürger rechnen würden. Einer der vorgeschlagenen Friedensnobelpreis-Kandidaten war einst Adolf Hitler. Es wurde überliefert, dieser Vorschlag sei nicht ernst gemeint, sondern sarkastisch gemeint gewesen. Aber das glaube ich nunmehr nicht mehr. Dieser Vorschlag war in eben dieser Tradition und verlogenen Zielsetzung wahrscheinlich wirklich ernst gemeint, denn keiner gebrauchte in den ersten Jahren des »Dritten Reiches« das Wort Frieden so oft in seinen Reden wie Hitler. Nun, solche »Friedensergebnisse« wie er, erzielt nicht jeder. Sicher strebt die NATO sie auch nicht an. Aber zumindest dürfen wir von dieser »Friedensmacht« NATO auch künftig ähnliche Opferzahlen erwarten, wie sie der Friedensnobelpreisträger Kissinger durch seine Politik verschuldete. Ein weiterer Propagandatrick besteht darin, einen Angriffskrieg nicht unter der Bezeichnung »NATO« starten zu lassen. Man nennt es »Koalition der Willigen«. Es nehmen dann trotzdem die meisten NATO-Staaten daran teil und ziehen noch weitere Staaten mit hinein. Und selbstverständlich handelt es sich dann auch um keinen Krieg, sondern um eine »Operation Enduring Freedom«.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (6. November 2025 um 21:08 Uhr)
    Die NATO wurde gegründet, um die USA in Europa drin, die Sowjetunion draußen und die Deutschen klein zu halten. Der erste NATO-Generalsekretär fasste diese Ziele damit zusammen, und diese Formulierung ist eine Kurzform, die sich auf die Gründungsziele bezog. USA drin: Die NATO sollte sicherstellen, dass die USA weiterhin ein aktiver und wichtiger Teil der europäischen Verteidigung sind. Sowjetunion draußen: Das Bündnis sollte der sowjetischen Expansion nach Westen entgegenwirken und die Sowjetunion militärisch abschrecken. Deutsche kleinhalten: Die NATO sollte verhindern, dass das durch den Krieg geschwächte Deutschland wieder eine zu große Militärmacht wird, die andere Mitgliedsstaaten bedrohen könnte. Diese Aufgabe hat die Organisation unter US-Militärführung auch erfüllt. Diplomatische Initiativen oder Friedensbestrebungen ohne den entsprechenden Machtdruck funktionieren in der internationalen Politik selten – das war schon immer so und wird wohl auch so bleiben. Die NATO-Osterweiterung war jedoch ein Fehler – ebenso wie die überhastete Erweiterung der Europäischen Union. Die Wirtschaftskraft des Westens konnte die einstigen Versprechen von »Wohlstand für alle« nicht mehr einlösen. Heute stehen wir vor den Konsequenzen: Der Krieg in der Ukraine und ein spürbarer Rückgang des Lebensstandards in ganz Europa. Letztlich werden wir, auch wieder einen Weg finden müssen, mit Russland auszukommen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Hamburg, Manni Guerth (11. November 2025 um 12:58 Uhr)
      Nicht der Ukraine-Krieg ist für den Rückgang des Lebensstandards in Europa verantwortlich. Es ist das System des Kapitalismus (des Neokolonialismus, des Imperialismus), welches für Armut und Raub verantwortlich ist. Das ist das kleine Einmaleins des Kapitalismus.

Mehr aus: Ansichten